Auf der Suche nach der vor 36 Jahren unter ungeklärten Umständen verschwundenen Emanuela Orlandi sind im Vatikan zwei Beinkeller geöffnet worden.
Experten in einem Beinkeller im Vatikan
Experten in einem Beinkeller im Vatikan - VATICAN MEDIA/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Tausende von Knochen bei Öffnung von zwei unterirdischen Beinkellern gefunden.

Aus den Anlagen unter dem deutschen Priesterkolleg wurden am Samstag mehrere Knochen entnommen, wie der Heilige Stuhl mitteilte. Die Untersuchung der Gebeine wurde demnach an Ort und Stelle begonnen und soll in einer Woche fortgesetzt werden.

Laut Vatikan sollten DNA-Proben aus allen Knochenensembles aus den Beinkellern entnommen werden. Die Untersuchungen wurden durch den Rechtsmediziner Giovanni Arcudi und seine Mitarbeiter vorgenommen, den der Vatikan mit der Aufgabe betraut hatte. Zudem war ein von der Familie Orlandi ausgewählter weiterer Genetiker vor Ort. Die Analyse der Knochen werde am Samstag kommender Woche fortgesetzt, hiess es aus dem Vatikan.

«Wir hatten nicht erwartet, so viele Knochen zu finden», sagte der von der Familie Orlandi ausgewählte Wissenschaftler Giorgio Portera. «Es wurden Tausende von Knochen gefunden - daher glauben wir, dass sie zu dutzenden Menschen gehören», fügte er hinzu.

In Beinkellern werden menschliche Knochen aufbewahrt, die etwa aus Platzgründen aus Friedhöfen ausgelagert wurden. Die beiden Anlagen im Vatikan waren erst vergangene Woche entdeckt worden. Sie sind durch eine Falltüre zugänglich, die sofort versiegelt worden war.

Der Fund war nach der Öffnung zweier Prinzessinnengräber auf dem deutschen Pilgerfriedhof neben dem Priesterkolleg gelungen. Die Gräber der Prinzessinnen Sophia von Hohenlohe und Charlotte Friederike von Mecklenburg aus dem 19. Jahrhundert waren auf Bitten von Orlandis Familie geöffnet worden, zu ihrer Überraschung jedoch leer.

Experten vermuten, dass sich die Gebeine der beiden Adeligen in den beiden nun untersuchten Beinkellern befinden - sie könnten im Zuge von Umbauarbeiten in den 60er und 70er Jahren dorthin verlegt worden sein.

Die 15-jährige Emanuela Orlandi war am 22. Juni 1983 nicht vom Musikunterricht heimgekehrt. Der Fall gilt als eines der grössten Rätsel in der jüngeren italienischen Kriminalgeschichte.

Um Orlandis Verschwinden rankten sich immer neue Spekulationen und Verschwörungstheorien, in denen teilweise auch der Vatikan eine Rolle spielt. Eine verbreitete Theorie geht davon aus, dass die Tochter eines Vatikan-Mitarbeiters von einer Bande entführt wurde, die den damaligen Chef der Vatikanbank, Paul Marcinkus, erpressen wollte. Unbewiesen ist auch eine andere Theorie, wonach Emanuela entführt wurde, um die Freilassung von Mehmet Ali Agca zu erpressen, der 1981 einen Mordversuch auf Papst Johannes Paul II. verübt hatte.

Vor einem Jahr erhielt die Anwältin der Familie einen mit einem Foto versehenen anonymen Hinweis, wonach die Überreste der Verschwundenen angeblich auf dem deutschen Pilgerfriedhof verscharrt seien. Daraufhin setzte sie eine Öffnung der beiden Gräber durch.

Der 60-jährige Bruder der Vermissten, Pietro Orlandi, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er hoffe, dass seine Schwester noch am Leben sei. «Ich muss weitermachen. Bis ich Emanuela finde, liegt es in meiner Verantwortung, die Wahrheit herauszufinden», sagte er. Orlandis heute 88-jährige Mutter lebt bis heute im Vatikan.

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