Einst mokierte sich die Schriftstellerin über Stadtschreiber-Preise. Jetzt bekommt sie selbst einen - «ein Beweis, dass die Mainzer Humor haben».
Eva Menasse in Mainz. Foto: v
Eva Menasse in Mainz. Foto: v - dpa-infocom GmbH
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Das kreative Refugium am Marktplatz in Mainz ist der neuen Stadtschreiberin willkommen.

«Eine Wohnung ist immer etwas Tolles», sagt Eva Menasse vor der Preisverleihung an diesem Donnerstag (7. März) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

«Als Schriftstellerin ist man in den Schreibphasen dauernd auf der Flucht vor der Welt.»

Die in Wien geborene Wahl-Berlinerin kommt zum dritten Mal in die Stadt am Rhein. Beim ersten Mal nahm sie 2013 den Gerty-Spies-Literaturpreis der Landeszentrale für politische Bildung entgegen. Damals mokierte sie sich ein wenig über die Umstände bei der Vergabe von Literaturpreisen, sagte dabei unter anderem: «Man muss irgendwo den sogenannten Stadtschreiber geben.» Sie erinnert sich, dass es deswegen Buh-Rufe gegeben habe. Dass sie nun dennoch Mainzer Stadtschreiberin werde, «ist ein Beweis, dass die Mainzer Humor haben».

Beim zweiten Mal begleitete sie ihren Bruder Robert Menasse im Januar nach Mainz, zu einer Preisverleihung, die streckenweise zum Spiessrutenlaufen wurde. Nach falschen Zitaten ausserhalb der literarischen Welt hagelte es Kritik an der Entscheidung des Landes Rheinland-Pfalz, Robert Menasse für sein Gesamtwerk als «Meister der Sprache» mit der Carl-Zuckmayer-Medaille zu ehren.

Jetzt steht Eva Menasse im Mittelpunkt. «Ich bin neugierig und freue mich auf Mainz», sagt sie über ihre dritte Begegnung mit der Stadt des Buchdrucks und der Medien. Die mit dem Stadtschreiber-Preis verbundene Aufgabe, ein Filmprojekt vorzulegen, schreckt sie nicht. Zwar habe sie sich mit diesem Medium bisher nicht beschäftigt, finde es aber sehr interessant. Die Mainzer Stadtschreiberin des vergangenen Jahres, Anna Katharina Hahn, spürt in ihrem Video den Schönheiten und Verletzlichkeiten von Stadttauben nach und geht darin auch auf ihr nächstes Buch ein, das Eindrücke der Mainzer Zeit mit aufnimmt.

Der gemeinsame Preis von ZDF, 3sat und der Stadt Mainz besteht zu einem Teil aus der Stadtschreiberwohnung im Schatten des Mainzer Doms, zum anderen Teil aus einem Preisgeld von 12 500 Euro. Die Entscheidung für den zum 35. Mal vergebenen Literaturpreis verband die Jury mit der Würdigung für «eine grosse Menschenerzählerin, die mit feiner Empathie und scharfsinnigem Humor über fragile Beziehungen schreibt». Sie gestalte ihre Figuren mit grosser sprachlicher Präzision und beschreibe Situationen mit feinsten Nuancen. «Zugleich mischt sich Eva Menasse öffentlich ein, streitet wirkungsvoll für Grundrechte im digitalen Zeitalter und wendet sich engagiert gegen Diskriminierung und rechte Hetze.»

Nach Studium von Geschichte und Germanistik sowie journalistischen Arbeiten legte Eva Menasse 2005 ihren ersten Roman vor, das Familienepos «Vienna». 2009 folgten «Lässliche Todsünden» mit Betrachtungen über Wiener Intellektuelle und 2013 «Quasikristalle» mit der Suche nach den biografischen Identitäten einer Frau. Zuletzt veröffentlichte sie 2017 den Erzählband «Tiere für Fortgeschrittene».

«Mainz darf sich auf Eva Menasse freuen», kündigte die Kulturdezernentin Marianne Grosse an. Zu den bisherigen Auszeichnungen der Schriftstellerin zählen der Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln und im vergangenen Jahr der Österreichische Buchpreis. Als Mainzer Stadtschreiberin tritt sie nun in eine Reihe mit Urs Widmer (2003), Peter Härtling (1995), Sarah Kirsch (1988) oder Gabriele Wohmann (1985).

Ad
Ad