In der Nacht geht die erste Welle des Lokführerstreiks bei der Deutschen Bahn zu Ende. Dem Fast-Stillstand folgt ein Wochenende mit Rekord-Fahrgastzahlen. Aber eine Konfliktlösung ist nicht in Sicht.
Eine Anzeigetafel am Stralsunder Hauptbahnhof zeigt die Zugausfälle an. Foto: Stefan Sauer/dpa
Eine Anzeigetafel am Stralsunder Hauptbahnhof zeigt die Zugausfälle an. Foto: Stefan Sauer/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Lokführerstreik bei der Deutschen Bahn hat am Donnerstag erneut grosse Teile des Schienenverkehrs lahmgelegt.

Unmittelbar vor dem angekündigten Streik-Ende in der Nacht zum Freitag stand noch nicht fest, ob die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach dem Wochenende eine weitere Streikwelle organisieren wird. Die GDL hatte für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ein verbessertes Angebot der Bahn verlangt, das zunächst ausgeblieben ist.

Die Deutsche Bahn will an diesem Freitag wieder ihr volles Programm mit rund 800 Fernzügen fahren. Hunderte Bahnbeschäftigte in Leitstellen, Disposition, Werken und beim Bordservice arbeiten derzeit daran, nach dem Streik-Ende so schnell wie möglich wieder das vollständige Fahrplan- und Serviceangebot sicherzustellen, erklärte das bundeseigene Unternehmen.

Man rechne für dieses Wochenende mit den reisestärksten Tagen im Bahnverkehr in diesem Jahr. Viele Kunden hätten ihre Fahrten auf Freitag verschoben und zudem liessen die Ferien in noch zwölf Bundesländern sowie das hochsommerliche Wetter eine hohe Auslastung erwarten, teilte die Bahn mit.

GDL legt Bilanz vor

Gewerkschaftschef Claus Weselsky hat für den Freitagvormittag eine Pressekonferenz in Berlin einberufen, auf der er seine Bilanz des Arbeitskampfs vorstellen will. Die Solidarität der Mitglieder sei über alle Berufsgruppen hinweg riesengross gewesen, teilte die Gewerkschaft bereits mit. «Sie alle haben der Deutschen Bahn die Rote Karte gezeigt.»

In dem Tarifkonflikt hatte die GDL ihre Mitglieder bei der Bahn von Mittwochfrüh an zu einem 48-stündigen Streik im Personenverkehr aufgerufen. Im Güterverkehr hatte der Ausstand schon am Dienstagabend begonnen. Auch die Infrastruktur der Bahn war nach Gewerkschaftsangaben betroffen. Erstmals streikten demnach GDL-Mitglieder in sechs Stellwerksbetrieben, ausserdem in Teilen der Werkstätten und der Verwaltung. Nach Angaben der Bahn konnte der stark reduzierte Ersatzfahrplan aber gefahren werden.

Weselskys Stellvertreter Norbert Quitter hatte in Frankfurt noch einmal erklärt, dass die Entscheidung über einen neuerlichen Streik erst in der kommenden Woche fallen soll, nachdem man die Reaktion des Bahn-Vorstands bewertet habe. Dass die Eisenbahner nach dem Streik-Ende ihre Arbeit unmittelbar wieder aufnehmen, sei keine Frage, meinte Quitter. Man werde gemeinsam versuchen, das bevorstehende Wochenende für die Reisenden zu bewältigen.

Überfüllte Ersatzzüge

Die Fahrgäste mussten auch am Donnerstag mit Ausfällen, Verspätungen und überfüllten Ersatzzügen zurechtkommen, auch wenn die Bahn nach eigenen Angaben ihr Platzangebot im Fernverkehr im Vergleich zum Mittwoch um 10 Prozent gesteigert hatte. Dennoch fehlten über 70 Prozent der üblichen Kapazität und auch in den Regionalnetzen fielen wie am Vortag rund sechs von zehn Zügen aus.

Entsprechend eng wurde es in den Ersatzzügen. Um Ansteckungen mit dem Coronavirus zu vermeiden, bat das Unternehmen die Fahrgäste um grösstmögliche Rücksichtnahme. Das Bordpersonal unterstütze sie dabei, sich bestmöglich in den Zügen zu verteilen. Die Bahn hatte vor Beginn des Streiks alle Sitzplätze zur Reservierung freigegeben. Zuvor galt, dass neben Alleinreisenden ein Platz möglichst freigehalten werden sollte. Diese Regelung war während der Corona-Welle im Winter eingeführt worden.

Für ihren Arbeitskampf hat die GDL laut einer Umfrage vergleichsweise geringen Rückhalt in der Bevölkerung. 31 Prozent der Menschen in Deutschland zeigten laut einer Yougov-Umfrage Verständnis für den Streik. Aber mehr als jeder Zweite (55 Prozent) lehnte den Ausstand ab. 14 Prozent der Umfrageteilnehmer machten keine Angaben. Im Osten ist das Verständnis für den GDL-Streik demnach höher als im Westen. 

Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die grössere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren. So will die GDL bei den Mitarbeitern auch im internen Machtkampf mit der EVG punkten und Einfluss auf weitere Teile der Belegschaft gewinnen.

Die GDL verfolge mit ihrem Streik auch politische Ziele, sagte der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann, in einem Pressegespräch. «Ich befürchte, dass es mit kurzfristig entschärfen schwierig wird.»

Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro in diesem Jahr. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Auch um Betriebsrenten wird gerungen. Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten.

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