Ukraine Krieg: Experte zweifelt an Soldaten-Million
Die Ukraine will im Ukraine-Krieg eine Gegenoffensive mit einer Million Soldaten starten. Nau.ch hat bei einem Experten nachgefragt, wie realistisch das ist.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Ukraine hat eine Gegenoffensive im Süden mit einer Million Soldaten angekündigt.
- Dabei handelt es sich wohl einerseits um eine Drohung, andererseits um Propaganda.
- Denn laut einem Experten ist es fraglich, ob die Ukraine so viele Soldaten aufbieten kann.
Im Ukraine-Krieg ist es Russland gelungen, Gebiete im Osten und Süden der Ukraine einzunehmen. Wolodymyr Selenkskyj will jedoch alle eingenommenen Städte, wie etwa Sjewjerodonezk, Donezk, Lugansk und Mariupol, zurückerobern. Ende Juni kündigte der Präsident an: «Alle anderen Städte der Ukraine, die vorübergehend besetzt sind, werden ukrainisch sein.»
Jetzt hat die ukrainische Armee laut eigenen Angaben eine Gegenoffensive im Süden des Landes gestartet. Diese wurde zuvor angekündigt. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow erklärte gegenüber der britischen «Sunday Times»: Selenskyj habe den Befehl zur Rückeroberung des besetzten Gebiets gegeben. Dazu sollen westliche Waffen eingesetzt werden – und eine Million Soldaten!
Schwarzmeerküste im Ukraine-Krieg strategisch wichtig
Eine Ankündigung, die nur teilweise glaubwürdig ist, wie Sicherheitsexperte Albert A. Stahel gegenüber Nau.ch erklärt.
«Ich bezweifle, dass die Ukraine eine Million entsprechend ausgebildete Soldaten für eine einzige Aktion aufbieten kann», so der Experte. Denn: Es gebe ja nicht nur die Front im Süden, sondern auch noch die im Norden und im Osten.
«Vielleicht würde die Ukraine, wenn sie ihr ganzes Potenzial ausschöpft, eine Million zusammenbekommen. Aber ob die alle für einen solchen Einsatz ausgebildet sind, ist fraglich», erklärt er.
Abgesehen von der Anzahl Soldaten sei die Ankündigung allerdings sehr wohl glaubwürdig. «Mit einer Gegenoffensive im Süden verschiebt die Ukraine den Schwerpunkt der Russen. Somit wird die Front im Donbass entlastet», erklärt Stahel.

Dem Süden des Landes kommt im Ukraine-Krieg eine zentrale Bedeutung zu. «Die Ukraine will die Schwarzmeerküste wieder unter ihre Kontrolle bringen. Das ist besonders im Hinblick auf die Getreidelieferungen wichtig.» Ein Grossteil des ukrainischen Getreides kann aufgrund der Blockade der Häfen aktuell nicht exportiert werden.
Die Ansage des ukrainischen Verteidigungsministers ist also teils glaubwürdig und teils nicht. Solche Ankündigungen seien laut Stahel typisch im Krieg: «Es ist einerseits eine Drohung – andererseits Propaganda.»