In einem Interview erklärt die gewählte Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer, wieso sie auf dem Stimmzettel als Mann aufgelistet ist. Und wie sie das ändern will.
Tessa Ganserer
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit Tessa Ganserer zieht erstmals eine Trans-Frau in den Deutschen Bundestag ein.
  • Nun erzählt sie von Beleidigungen und Schwierigkeiten in ihrem Alltag.
  • Mit ihrer Partei kämpft die Grünen-Abgeordnete nun für bessere Trans-Gesetze.
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Erstmals in der Geschichte ziehen mit Tessa Ganserer und Nyke Slawik zwei Trans-Frauen in den Deutschen Bundestag ein. Im «Spiegel»-Interview spricht die Grünen-Politikerin Ganserer jetzt offen über Deadnaming und wieso sie in offiziellen Dokumenten noch ein Mann ist.

Tessa Ganserer: «Ich bin nicht naiv»

«Ich bin nicht naiv. Ich weiss, dass man mir meine Transgeschlechtlichkeit an der Nasenspitze ansieht», so Ganserer. Das Leben als transgeschlechtliche Person sei umso schwieriger, wenn man auf diese Art hervorsteche. Einige legen sich dafür unters Messer, lassen alles entfernen, was noch männlich oder weiblich aussieht.

Tessa Ganserer
Tessa Ganserer ging von Tür zu Tür um einen Sitz im Bundestag für die Grünen zu holen.
Bundestagswahl
Tessa Ganserer und Nyke Slawik wurden in den Bundestag gewählt.
Tessa Ganserer
Zuvor war die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer bereits im bayrischen Landstag tätig.
Tessa Ganserer
Im Bundestag will die Trans-Frau jetzt das veraltete Transsexuellengesetz bekämpfen.

Für Tessa Ganserer ist dies alles Teil der Frage: «Wie weit muss ich gehen, um als Frau akzeptiert zu werden?» Eine Antwort darauf hat sie auch heute – fast drei Jahre nach ihrem Coming-Out – nicht gefunden.

«Ich bin nämlich kein Mann in Damen-Klamotten», stellt sie weiter klar. Es mache einen sehr grossen Unterschied, ob die Menschen sie so sehen, oder als Trans-Frau. Ganserer geht dafür in die Logopädie, um sich eine weibliche Stimme anzutrainieren und legt täglich dicke Schminke auf.

Dennoch wird sie im Alltag immer wieder an ihre frühere Identität erinnert – und muss sich gegenüber wildfremden Menschen erklären. In ihrem Ausweis steht nämlich immer noch ihr «Deadname», ihr alter Vorname und das kleine «m» für männlich. Bei jedem Arzttermin, Polizeikontrollen, Auslandreisen und vielem mehr, wird ihr Geschlecht unweigerlich zum Thema.

Aktuelles Transsexuellengesetz sei veraltet

Wenn es nach Ganserer geht, sollen solche Interaktionen für sie selbst und andere transgeschlechtliche Personen bald der Vergangenheit angehören. Im Bundestag will sie nämlich gegen das aktuell geltende Transsexuellengesetz ankämpfen.

Transgender-Prideflag
Trans-Pride-Flaggen wehen in Los Angeles. - AFP

Dieses fordert für eine Änderung des Geschlechts auf administrativer Ebene zwei psychiatrische Gutachten sowie einen Gerichtsentscheid. Ein Weg, der für Ganserer nicht infrage kommt: «Diesen Seelenstriptease empfinde ich als entwürdigend. Das mache ich nicht mit, für keinen Richter und auch sonst für niemanden.»

Damit meint sie die persönlichen und teilweise seltsam anmutenden Fragen, der sie sich bei einer psychiatrischen Untersuchung stellen müsste. «Spiegel» zitiert etwa aus dem «Düsseldorfer Fragebogen zur Transidentität»: «Wie verhalten Sie sich, wenn Sie während eines einsamen Spazierganges in freier Natur plötzlich einen Harndrang verspüren?» Oder: «Wie oft masturbieren sie durchschnittlich innerhalb eines Monats?»

Grüne wollen neues Selbstbestimmungsgesetz

Um den Betroffenen diese Prozedur zu ersparen, fordern die Grünen jetzt, dieses Gesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Die Angelegenheiten der Regenbogen-Community sind aber nicht das einzige, wofür sich die Bundestagsabgeordnete interessiert.

Obwohl Ganserer zu einem Aushängeschild für Diversität geworden ist, wünscht sie sich neben Queer-Politik noch einen anderen Arbeits-Schwerpunkt: Den Verkehr.

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