Lawinenschaufel zuhause, das Verschüttentensuchgerät nicht mal ausprobiert - und dann noch unbedarft im «Schlafzimmer der Wildtiere» unterwegs: Eine Studie stellt vielen Tourengehern im beliebten Spitzinggebiet kein besonders gutes Zeugnis aus.
Laut einer Befragung im Spitzingseegebiet sind viele Tourengeher unbedarft im Gelände unterwegs. Foto: Frank Mächler/dpa
Laut einer Befragung im Spitzingseegebiet sind viele Tourengeher unbedarft im Gelände unterwegs. Foto: Frank Mächler/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Tourengeher sind nicht optimal auf die Lawinengefahr vorbereitet - und beachten auch Schutzgebiete für Wildtiere zu wenig.

Rund 30 Prozent der Wintersportler waren ganz ohne jede Lawinenausrüstung unterwegs, ergab eine Befragung von rund 360 Sportlern im Spitzingseegebiet im Februar und März dieses Jahres.

Viele wussten zudem zu wenig über den Schutz der Wildtiere. Etwa die Hälfte der Tourengeher habe sich vorab nicht über Schon- und Schutzgebiete informiert.

An der Studie waren die Sektion München des Deutschen Alpenvereins, Tourismusforscher der Ludwig-Maximilians-Universität München, Lawinenexperten und Vertreter aus dem Gebiet beteiligt.

Neben der Befragung wurden die Tourengeher an Checkpoints mit Infrarot-Technik gezählt. Mehr als tausend Tourengeher seien an guten Tagen im Taubensteingebiet unterwegs gewesen - dabei viele frühmorgens und abends bis tief in die Nacht. Seit längerem boomen Touren vor und nach der Arbeit. Dabei sei gerade die Dämmerung für die Wildtiere die wichtigste Zeit zum Fressen, hiess es. Deshalb müsse es eine stärkere Lenkung in den Dämmerungs- und Nachtstunden geben.

Lawinenverschüttetensuchgeräte oft veraltet

Jeder Fünfte hatte der Befragung zufolge ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), das älter war als 20 Jahre - und mindestens jeder Sechste hatte in der aktuellen Saison noch nicht ausprobiert, ob die Suchfunktion des Geräts überhaupt funktionierte.

Die Befragung zeige, dass «viele Unbedarfte» im Gelände unterwegs seien «mit wenig, wenig Wissen», sagte der Bergführer und Gründer des Lawinencamp-Bayern, Alexander Römer. Er sorge sich vor allem um die vielen Neueinsteiger, die dieses Jahr wahrscheinlich wegen geschlossener Lifte auf Tour gehen werden. In der Corona-Pandemie dürfen derzeit keine Lawinen-Kurse draussen stattfinden. «Ganz ohne Ausbildung diesen Winter ins Gelände zu gehen, ist sicher nicht der richtige Weg», mahnte Römer. Er rief dazu auf, vor der ersten Tour wenigstens an einem Onlinekurs teilzunehmen.

Mangelnde Kenntnis über Schutzgebiete

Auch über sensible Naturgebiete waren viele nicht informiert - oder sie ignorierten sie. Als Tagesziel seien sogar Gipfel im Schongebiet angegeben worden, berichtete Florian Bossert, Gebietsbetreuer Mangfallgebirge im Landkreis Miesbach. Es habe sich gezeigt, dass «einem überwiegenden Teil der Tourengeher gar nicht bewusst ist, dass sie sich in einem Lebensraum seltener und vom Aussterben bedrohter Tierarten bewegen». Anders als im Hochgebirge hätten Wildtiere am Spitzing «praktisch keinen Ruhetag». Tourengehern sei nicht bewusst, dass sie praktisch im «Schlafzimmer der Wildtiere» unterwegs seien.

Gerade die Region am Spitzingsee ist extrem gut besucht: Das Gebiet ist vom Grossraum München aus gut erreichbar, relativ schneesicher und bietet auch bei Lawinengefahr sichere Touren. Mit den erwarteten Neueinsteigern werde der Druck dort weiter stiegen, sagte der Projektleiter der Studie, Roman Ossner von der DAV-Sektion München.

«Die Ergebnisse unserer gemeinsamen Untersuchung zeigen leider deutlich, dass das Spitzinggebiet und besonders der Taubenstein unter erheblichem Wintersportlerdruck steht», sagte Ossner. «Der bevorstehende Winter und die Einschränkungen der Corona-Pandemie werden diese Situation weiter verschärfen.» Nötig sei eine bessere Steuerung durch Beschilderung, aber auch online. Maximilian Witting von der LMU sagte, die Ergebnisse müssten in der Ausbildung berücksichtigt werden.

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