Taliban: Afghane darf 7 Familienmitglieder nachholen – Kritik
Ein Afghane floh nach Grossbritannien, weil sein Onkel, ein Kommandant der Taliban, ihn in den Krieg holen wollte. Nun sorgt ein Gerichtsentscheid für Kritik.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Neffe eines Taliban-Kommandanten darf seine Familie nach Grossbritannien nachholen.
- Er floh aus Afghanistan, weil sein Onkel ihn in den Dschihad einziehen lassen wollte.
- Der Entscheid sorgt für Kritik, weil Gegner hohe Kosten für den Staat fürchten.
Ein afghanischer Flüchtling in Grossbritannien darf sieben Familienangehörige aus der Türkei nachholen. Das entschied ein britisches Asylgericht. Über den Fall berichtete die Tageszeitung «Daily Mail» zuerst – sie schreibt von einem «kontroversen» Entscheid.
Bei den Angehörigen handelt es sich um die Eltern des Mannes, drei Schwestern sowie eine Nichte und einen Neffen.
Laut Gerichtsurteil haben sie «keine Optionen» und könnten nicht nach Afghanistan zurückkehren. Dort hatte die Taliban 2021 die Macht im Land zurückerobert.
Taliban: Onkel wollte Mann als Teenager in den Dschihad schicken
Der Mann, in den Akten nur als «S» bezeichnet, kam 2016 nach Grossbritannien. Damals gab er an, 15 Jahre alt zu sein, wurde jedoch später auf 18 Jahre hochgestuft.
Sein Onkel soll Kommandant bei den Taliban gewesen sein. Der Onkel soll den Vater von «S» unter Druck gesetzt haben, damit dieser den Sohn «dem Dschihad» überlässt.
Um ihn vor der Taliban zu schützen, schickte der Vater den Jungen nach Kabul. Doch dort wurde er von zwei Cousins niedergestochen. «S» floh schliesslich aus Afghanistan.
2018 erhielt er in Grossbritannien unbefristetes Aufenthaltsrecht, nachdem ein Psychotherapeut bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert hatte.
Währenddessen flohen seine Eltern und Schwestern über den Iran in die Türkei. Dort lebten sie in Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden.
Berufung erfolgreich – trotz abgelehnter Anträge
2023 beantragten die Angehörigen die Einreise nach Grossbritannien. Mit Verweis auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Privat- und Familienleben). Zunächst wurde ihr Antrag abgelehnt.
Doch nun entschied Richterin Gaenor Bruce, dass die Ablehnung «unverhältnismässig hart» gewesen sei. Sie verwies auf die prekäre Lage der Familie.
Eine Schwester sei in der Türkei von ihrem Ehemann mit einer Eisenstange geschlagen worden. Er wurde später abgeschoben.
Zwei Schwestern arbeiteten illegal in Restaurants, um die kranken Eltern zu versorgen. Beide Eltern sind Diabetiker, der Vater leidet zudem an nicht behandelten Anfällen.
Afghane ständig «re-traumatisiert»
Die Richterin folgte auch einem Experten, der erklärte, «S» sei durch die Sorge um seine Familie ständig «re-traumatisiert». Nur eine Wiedervereinigung ermögliche es ihm, sein Leben aufzubauen.

«S» hatte mehrfach versucht, eine Ausbildung zum Elektriker zu beginnen, war aber psychisch dazu nicht in der Lage.
Richterin erwartet «erhebliche Belastung für öffentliche Finanzen»
Das Gericht räumte ein, dass die Familie eine «erhebliche Belastung für die öffentlichen Finanzen» darstelle.
Da «S» nicht arbeite und von staatlichen Geldern lebe, sei dies auch für seine Angehörigen «nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich».
Dennoch überwog für die Richterin die Menschenrechtslage der Familie. Andere europäische Länder kämen für eine Aufnahme nicht infrage.
Regierung prüft Berufung
Die britische Regierung hatte erst kürzlich die Möglichkeit von neuen Anträgen auf Familiennachzug für Flüchtlinge vorübergehend gestoppt. Hintergrund sind Sorgen wegen hoher Migrantenzahlen über den Ärmelkanal.
Der Entscheid passt in Grossbritannien nicht allen: Das Ministerium prüft nun eine Berufung dagegen.