Nach sechseinhalb Stunden haben sich Russland und die Türkei auf einen Deal in Syrien geeinigt. Grosser Gewinner ist Vladimir Putin, Verlierer die Kurdenmiliz.
Syrien Russland Türkei
Vladimir Putin (r.), Präsident von Russland, hat sich mit Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, über die Situation im Norden von Syrien geeinigt. - epa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Gestern haben sich Russland und die Türkei auf einen Syrien-Deal geeinigt.
  • Für die Kurden ist die Verlängerung der Waffenruhe die einzige gute Nachricht.
  • Vladimir Putin ist der grosse Gewinner des Abkommens.

Ganze sechseinhalb Stunden verhandelten gestern Vladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan hinter verschlossenen Türen über Syrien. Das Resultat ist viel mehr als nur eine vorläufige Verlängerung der Waffenruhe in Nordsyrien.

Denn: Russland hat mit dem Deal das weitere Vorrücken der türkischen Armee nach Syrien gestoppt. Dies allerdings nicht ohne Zugeständnisse an die Türkei zu machen.

Diese fallen klar zu Lasten der Kurden. Dennoch lässt das entstandene Memorandum Vladimir Putin quasi wie einen Friedensstifter aussehen.

Kurdenmiliz muss aus Grenzgebiet verschwinden

Er hat Erdogan dazu bewegt, die «politische Einheit und territoriale Integrität» Syriens anzuerkennen. Das bedeutet, der türkische Präsident erkennt damit Baschar al-Assad als rechtmässigen Herrscher über Syrien an. Dies war bisher nicht der Fall und dürfte den syrischen Machthaber freuen.

Syrien Russland Türkei
Soldaten der syrischen Armee bei ihrem Einsatz in der Stadt Manbidsch im Nordwesten von Syrien. - dpa

Gleichzeitig darf die türkische Armee in dem syrischen Gebiet, in das sie bis zu 32 Kilometer tief vorgedrungen ist, bleiben. Es handelt sich dabei um einen rund 150 Kilometer breiten Landstreifen zwischen den Städten Tel Abyad und Ras al-Ayn.

Entlang der restlichen türkisch-syrischen Grenze entsteht hingegen eine Pufferzone von nur zehn Kilometern. Diese soll von russischen und syrischen Truppen patrouilliert werden. Russland verpflichtet sich aber, dafür zu sorgen, dass die kurdischen Milizen das Grenzgebiet am Ende der 150-stündigen Waffenruhe verlassen.

Erdogan bewahrt Gesicht

Damit bewahrt Erdogan innenpolitisch sein Gesicht und Moskau löst hiermit gleich zwei Probleme. Einerseits wird die Türkei in den besetzten Gebieten nicht nach eigenem Ermessen walten können. Andererseits wächst der Einfluss der syrischen Regierungstruppen und des russischen Militärs in diesem Teil von Syrien erheblich.

Syrien Türkei Russland
Ein Bild, das am 22. Oktober 2019 vom offiziellen Twitter-Account der syrischen Präsidentschaft veröffentlicht wurde, zeigt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (vorne) bei einem Besuch der an der Front in der Provinz Idlib eingesetzten Regierungstruppen. Assad muss mit der türkischen Präsenz im Norden des Landes leben können. - dpa

Auch wenn diese Zugeständnisse auf Assads Kosten gehen, dürfte es die Einigung des Landes unter der Herrschaft des Assad-Regimes erleichtern. Die Kooperation zwischen Russland, der Türkei und Syrien war wohl noch nie so eng geplant, wie es der Deal vorsieht.

Russland als grosser Sieger in Syrien

Damit ist klar: Die Kurden sind die Verlierer des Deals. Denn nebst sechs weiteren Tagen Waffenruhe bedeutet das Abkommen für die Kurdenmiliz vor allem Gebietsverluste. Putin hat sie zu Gunsten der Türkei fallen lassen.

Dank dem Abzug der USA und dem Abkommen mit der Türkei ist Russland die neue Ordnungsmacht in der Region. Putin dürfte mehr als zufrieden sein: Sein Verbündeter Assad hat nun fast im ganzen Land die Macht zurück. Zudem ist es ein Zeichen an den Westen, dass Russland eine Macht ist, die weitab ihrer eigenen Grenzen mitentscheiden kann.

Syrien Türkei Russland
Vladimir Putin, Präsident von Russland, kann mit dem Syrien-Deal zufrieden sein. - dpa

Auch Assad und Erdogan gehen aus dem Deal als halbe Sieger hervor. Zwar geht nach der türkischen Offensive nur ein Bruchteil des anvisierten Gebietes tatsächlich an die Türkei. Doch die Kurdenmiliz wird aus der Region verbannt. Assad wiederum erhält dafür weite Teile Nordostsyriens zurück, muss aber dafür mit der türkischen Präsenz leben.

Für die USA und die Nato-Partner der Türkei ist es ein herber Schlag, dass Türken und Russen Seite an Seite bislang kurdisch kontrolliertes Gebiet betreten. Und: Putin ist dem Wunsch, Erdogan und Assad an einen Tisch zu bringen, einen Schritt nähergekommen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Vladimir PutinRecep Tayyip ErdoganSchweizer ArmeeBaschar al-Assad