Alle Welt blickt zur Krönung von König Charles III. Die CSU dagegen trifft sich – zeitgleich – zur Kür ihres Spitzenkandidaten Markus Söder. Dessen grosse Bewährungsprobe naht.
CSU-Parteichef Markus Söder bleibt der Spitzenkandidat seiner Partei.
CSU-Parteichef Markus Söder bleibt der Spitzenkandidat seiner Partei. - Peter Kneffel/dpa

Nicht einmal eine Mass Bier, die ein CSU-Delegierter seinem Nebenmann für eine Nein-Stimme verspricht, kann etwas am Ergebnis ausrichten: Einstimmig wird Markus Söder auf einem Parteitag in Nürnberg zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Oktober gekürt, nach einer mehr als eineinhalbstündigen Rede.

«Äh, ja», sagt Söder. «Ich bedanke mich wirklich sehr, sehr, sehr bei euch.» Die eigentliche Bewährungsprobe aber kommt erst noch. «Nun ist er alleine verantwortlich», sagt ein CSU-Vorstandsmitglied. «Er alleine.»

3728 Stunden, rechnet Söder vor, sind es noch, bis am 8. Oktober die Landtagswahllokale schliessen. Bis zu Söders bislang wichtigster Bewährungsprobe. Zur Erinnerung: Bisher hat die CSU bei keiner grossen Wahl unter seiner Führung zugelegt – im Gegenteil: Bei der Landtagswahl 2018, ein halbes Jahr nach Söders Amtsantritt als Ministerpräsident, stürzte die CSU auf 37,2 Prozent ab und verlor die absolute Mehrheit im Landtag – was aber Söders Vorgänger Horst Seehofer zugeschoben wurde. Bei der Bundestagswahl 2021 rutschte die CSU auf 31,7 – was die CSU dem Unions-Spitzenkandidaten Armin Laschet anlastete. Einzig bei der Europawahl 2019 konnte die CSU ihr Ergebnis konstant halten – was gemeinhin aber damit erklärt wurde, dass die CSU mit Manfred Weber den europaweiten EVP-Spitzenkandidaten stellte.

Söder – überall und dünnhäutig

Diesmal ist klar: Nun muss allein Söder liefern. Das erklärt wohl, weshalb der 56-Jährige die Wahl so derart wichtig nimmt, seit vielen Monaten alles danach ausrichtet. Warum er versucht, alle Hindernisse und potenzielle Gefährdungen aus dem Weg zu räumen, bis hin zum Wolf in den bayerischen Alpen, der nach einer im Eiltempo beschlossenen und juristisch wackeligen Verordnung erst einmal leichter geschossen werden darf. Warum er nimmermüde durchs Land tourt, quasi kein Feuerwehrfest auslässt und kein Tierheim unbehelligt. Warum er Twitter und Co. mit Söder-Fotos aus allen Landesteilen überschwemmt.

Und warum er mit wachsender Nervosität und teils dünnhäutig auf Kritik reagiert, sogar wenn sie nur als Frage aufgeworfen wird. Zuletzt etwa nach einer CSU-Vorstandssitzung, als Söder seinen Vorstoss zum Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in Eigenregie rechtfertigen musste. Er reagierte mit Gegenfragen und blaffte am Ende einen Journalisten an. Dabei hätte er wissen können, dass nach dem Vorstoss, den selbst manche CSU-Parteifreunde als unrealistisches Wahlkampfmanöver entlarvten, nicht nur wohlmeinende Nachfragen kommen würden.

Eigentlich, sagen wohlmeinende Parteifreunde, hätte es Söder doch gar nicht nötig, so nervös zu sein. Die CSU-Umfragewerte liegen aktuell konstant zwischen 40 und 42 Prozent. Und weil die Freien Wähler ebenfalls konstant bei um die zehn Prozent rangieren, steht der Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern nichts im Wege.

Das einstige Minimalziel, die 37,2 Prozent aus dem Jahr 2018 zu toppen, ist den meisten Christsozialen aber nicht mehr genug. Über 40 Prozent sollten es mindestens sein, so lautet die allgemeine Erwartungshaltung, seit die Umfragen in diesen Bereichen liegen. Und natürlich, sagt ein altgedienter CSU-Mann, träumt Söder selbst – auch wenn er es nie zugeben würde – von der Rückeroberung der absoluten Mehrheit. Das hatte ja sogar sein Vorgänger Seehofer 2013 geschafft.

Eigene Akzente fehlen

Doch eigentlich, sagen mehrere Delegierte übereinstimmend, müssten die Umfragen längst noch besser aussehen – wenn man einerseits Söders Pensum anschaut, andererseits die zunehmende Kritik an der Ampel. Ein CSU-Vorstand mutmasst, das bisherige Plus im Vergleich zu 2018 liege zu drei Vierteln an der Ampel und nur zu einem Viertel an Söder.

Auffällig ist, dass es keine ganz grossen eigenen Akzente Söders mehr gibt. Die milliardenschwere High-Tech-Agenda, auch wenn von Experten hochgelobt, ist schon einige Jahre alt und taugt kaum zum Wahlkampf-Schlager. Und wegen Corona-, Ukraine- und Energie-Krise sind die finanziellen Spielräume enger als früher. Ob laute Klageankündigungen – Erbschaftsteuer, Länderfinanzausgleich und Wahlrechtsreform – das Wahlergebnis beeinflussen, erscheint fraglich.

Der Parteichef versucht, mit einem scharfen Anti-Ampel-Kurs die eigenen Anhänger zu mobilisieren. «Bayern hat etwas Besseres als eine Ampel verdient», ruft er in den Saal. Vor allem auf das Gendern («Schafscheiss»), auf vermeintliche «Umerziehungsfantasien» und auf die Grünen hat er es abgesehen: «Miesmachpartei» und Verbotspartei, schimpft er. Die CSU präsentiert er dagegen konservativ wie in alten Zeiten. «Wir wollen Bayern erhalten, wie es ist», sagt Söder.

Und was, wenn die Landtagswahl für Söder tatsächlich ein Erfolg werden sollte? Je nach Wahlergebnis dürfte dann über kurz oder lang die K-Frage wieder aufs Tableau kommen – auch wenn Söder zuletzt recht deutlich sagte: «Ich stehe da nicht zur Verfügung.» Und wenn am Ende doch noch etwas schiefgehen sollte? Aus Erfahrung weiss man: Wenn sie Erfolge garantieren, steht die CSU zu ihren Vorsitzenden. Wenn nicht, kann's damit aber auch ganz, ganz schnell vorbei sein.

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