In Corona-Zeiten sollen Menschen auf Distanz gehen und möglichst auf soziale Kontakte verzichten. Doch wie wirkt sich das auf die Psyche aus?
Coronavirus Psyche
Eine Frau mit Schutzmaske sitzt hinter einer Glasscheibe am Telefon und greift sich an den Kopf. (Symbolbild) - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wegen des Coronavirus gelten in vielen Ländern Kontaktbeschränkungen.
  • In der Schweiz ist seit rund drei Wochen die «ausserordentliche Lage» in Kraft.
  • Viele Menschen haben derzeit keinen direkten Kontakt zu Mitmenschen.

In der Schweiz gilt wegen des Coronavirus seit rund drei Wochen die «ausserordentliche Lage»: Die Menschen sollen zuhause bleiben, Ansammlungen mit mehr als fünf Personen sind verboten. Zudem soll ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden.

Damit steigt bei vielen Menschen das Gefühl der Einsamkeit. Das gilt besonders bei jenen, die alleine leben. Denn: Die direkten Kontakte mit Arbeitskollegen, Freunden oder Familie fallen grösstenteils weg. Auch beiläufige Kontakte wie in einem Verein oder beim Coiffeur gibt es derzeit nicht.

Das wird teilweise durch (Video-)Telefonate oder Videokonferenzen ersetzt. Doch was fehlt, sind Berührungen: Diese setzen im Belohnungszentrum des Gehirns Oxtoycin frei, wie der «Spiegel» berichtet. Das ist ein Hormon, welches Menschen vertrauen lässt.

Coronavirus Berührung
Berührungen setzen im Belohnungszentrum des Gehirns Hormone frei. - Pixabay

Mit Endorphinen zusammen entsteht dabei ein Hormonmix, der Verbundenheit und Ruhe schaffen soll, schmerzlindernd ist und das Gefühl der positiven Bindung verstärkt. Auch scheinbar kleine Berührungen wie ein Händedruck oder ein Schulterklopfen können positiv wirken.

Entsprecht heftig können die Reaktionen beim Entzug ausfallen.

Entwicklung von chronischen Krankheiten möglich

Gemäss Pascal Vrticka, der an der Universität in Essex (GB) zu diesem Thema forscht, berge soziale Distanz Risiken: Wenn Kontakte und Berührungen ausbleiben, kann das Gehirn in einen kurzfristigen Überlebensmodus wechseln. Das veranlasse dann eine erhöhte Ausschüttung vom Hauptstresshormon Cortisol, das die Bereitschaft erhöht, auf Gefahren zu reagieren.

Der Schlaf werde unruhiger, da der Körper auch in der Nacht reagieren wolle. Laut Vrticka wird der Mensch sensibler, fühlt sich schneller ausgeschlossen und wird, je nach Temperament, ängstlicher oder aggressiver. Zum Teil sogar beides.

Coronavirus
Zwei Nachbarn reden während der Coronakrise in Madrid von ihren jeweiligen Balkonen aus miteinander. - Keystone

Das alles könne zu chronischen Krankheiten führen, wie etwa Depressionen, Bluthochdruck oder Diabetes. Auf diese Gefahr weisen auch wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Epidemien hin.

Viele Personen, die während der Ausbreitung von Sars, der Schweinegrippe und anderen Infektionskrankheiten unter Quarantäne gestellt wurden, litten kurz- oder langfristig unter Gesundheitsproblemen und griffen im Schnitt häufiger zu Drogen. Das Risiko für psychische Probleme kann schon nach zehn Tagen in Quarantäne erhöht sein.

Wie Entzugserscheinungen

Wenn Menschen die Einsamkeit empfinden, kann dies zu einer Sehnsucht nach sozialer Nähe und auch Berührung führen. Das ist laut Forschern mit Entzugserscheinungen vergleichbar.

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Gäste eines Hotels in Hongkong schauen während einer Schweinegrippe-Quarantäne 2009 aus den Fenstern. - Keystone

Dennoch lässt sich nicht voraussehen, wie eine verordnete soziale Distanz in Zeiten einer Pandemie, wie im Fall der Coronakrise, die Gesellschaft verändern kann. Momentan werden viele neue Studien dazu in Angriff genommen. Diese wollen herausfinden, wie sich die Gesellschaft im Ganzen verändert, aber auch wie der einzelne Mensch reagiert.

Sollte Sie die aktuelle Situation rund um die Coronakrise belasten, gibt es mit «Wie geht's dir?» eine Kampagne, die im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz Anregungen gibt, was der Psyche momentan gut tun könnte. Zudem werden auf der Website www.wie-gehts-dir.ch Initiativen anderer Organisationen vorgestellt.

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