Eitan (5) ist der einzige Überlebende der Seilbahn-Tragödie in Stresa (I). Vom Tod seiner Familie weiss er noch nichts. Zwei Kinderpsychologen ordnen ein.
Mottarone Seilbahn Unglück
Drei der vier Familienmitglieder kamen beim Seilbahn-Absturz in Mottarone (I) ums Leben. Nur der 5-jährige Eitan (unten rechts) überlebte. - Twitter
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Sonntag kamen nahe Stresa (I) 14 Menschen ums Leben. Nur Eitan (5) überlebte.
  • Der Bub weiss noch nicht, dass seine Familie tot ist. Seit Mittwoch ist er wach.
  • Psychologen sagen, das habe einen Grund. Der richtige Zeitpunkt müsse abgewartet werden.

Der einzige Überlebende der Seilbahn-Tragödie auf dem Mottarone nahe Stresa (I) ist Eitan (5). Am Mittwoch erwachte der Bub im Kinderspital in Turin (I), drei Tage nach dem schrecklichen Unglück.

Noch weiss er nicht, dass seine Eltern und sein kleiner Bruder (†2) bei dem Absturz der Gondel gestorben sind. Noch weiss er auch nicht, dass er in Zukunft wohl bei seiner Tante in Tel Aviv leben wird.

seilbahn unglück stresa
Das gerissene Zugseil der Mottarone-Bahn.
Stresa
Die komplett zerstörte Gondel nach dem tragischen Unglück mit 14 Toten in Stresa (I).
seilbahn stresa unglück
Hier ersichtlich ist die rote Gabel an der Unfallstelle, die die Notbremse daran gehindert hat, zu funktionieren.

Philipp Ramming, Kinder- und Jugendpsychologe, ist überzeugt: Das hat seinen Grund. «Der Zeitpunkt für eine solche Nachricht muss richtig gewählt werden.» Wichtig sei es, dass das Kind gut in die Gemeinschaft eingebettet sei.

Kind kann Ereignis erst langsam wahrnehmen und verarbeiten

Doch was, wenn er hört, dass Mama und Papa nicht mehr leben, sie nie mehr zurückkommen werden? «Ein 5-jähriges Kind versteht eine solche Nachricht. Trotzdem wird er wahrscheinlich wieder nach den Eltern fragen. Das Wahrnehmen des Ereignisses passiert langsam», sagt Ramming.

Philipp Ramming
Philipp Ramming ist Kinder- und Jugendpsychologe. - SKJP

Und er weiss: «Kinder reagieren auf solch eine Nachricht unterschiedlich: Mit Unverständnis, Trauer oder Schock.» Eine seelsorgerische Begleitung sei daher empfehlenswert.

stresa seilbahn unglück
Beim Absturz der Seilbahn in Stresa kamen 14 Personen ums Leben.
stresa seilbahn unglück
Die Station der Mottarone-Seilbahn. Polizisten und Bergretter bei der Arbeit.
seilbahn unglück stresa
Mittlerweile steht fest: Das Zugseil war gerissen, die manipulierten Notbremsen funktionierten nicht.
seilbahn unglück stresa
Die abgestürzte Gondel.
stresa seilbahn unglück
Die Türe der Gondel liegt am Boden.
seilbahn unglück stresa
Blick in die Anlage der Seilbahn.

«Die einen Kinder verzweifeln, die anderen scheinen die übermittelte Information gar nicht aufzunehmen. Sie verdauen sie dann erst nach und nach», so Ramming. Es handle sich schliesslich um ein traumatisches Erlebnis, um einen tiefen Einschnitt in das Leben des Kindes.

Verlustängste werden Eitan wohl sein ganzes Leben lang begleiten

Dasselbe betont auch der Kinder- und Jugendpsychologe Allan Guggenbühl. «Erklären kann man das einem Kind nicht wirklich. Das ist ein langwieriger Prozess, bis er das akzeptieren kann. Man muss es mit Geschichte verbinden, ihm sagen, dass seine Familie im Himmel ist. Er wird das emotional nicht begreifen.»

Jugendpsychologe Allan Guggenbühl.
Der Zürcher Jugendpsychologe Allan Guggenbühl. - zVg

Die Nachricht werde der Bub nicht einfach so verarbeiten können. «Solche schrecklichen Nachrichten lösen Unverständnis und eine ungehörige Leere aus.»

Zudem werde das Ereignis Eitan sein ganzes Leben lang begleiten. «Am wahrscheinlichsten ist es, dass Verlustängste auch später bestehen bleiben und damit auch eine gewisse Unsicherheit, tiefere Beziehungen einzugehen.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

NachrichtenAbsturzTod