Mehr als zwei Jahre nach der sogenannten Ibiza-Affäre um Österreichs damaligen Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache hat ein Prozess gegen den mutmassliche Urheber des entlarvenden Videos begonnen.
Julian H. vor Gericht
Julian H. vor Gericht - APA/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Menschenrechtsorganisationen nennen Vorwürfe in Drogen-Prozess konstruiert.

Der Privatdetektiv Julian H. muss sich vor dem Landesgericht in St. Pölten wegen Drogendelikten und Dokumentenfälschung verantworten. Der 40-Jährige wird beschuldigt, 2017 und 2018 mehr als ein Kilogramm Kokain verkauft zu haben, um sich aus einer finanziellen Schieflage zu befreien.

H. war im Dezember in Berlin festgenommen und an Österreich überstellt worden. Er sitzt seitdem in U-Haft. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Der 40-Jährige bestreitet die Vorwürfe.

Kritiker werfen den Ermittlungsbehörden vor, H. wegen des kompromittierenden Ibiza-Videos mit teils konstruierten Vorwürfen vor Gericht zu zerren. Gegenüber örtlichen Medien sagte dessen Anwalt Oliver Scherbaum, die Anschuldigungen seien «konstruiert». Es gehe vielmehr darum, diejenigen auszuschalten, die Korruption in der Politik anprangerten.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände zeigten sich ebenfalls besorgt über die Ermittlungen gegen H. «Die Veröffentlichung des Videos, die durch Julian H. ermöglicht wurde, führte zu einer Debatte von öffentlichem Interesse und ermöglichte der Allgemeinheit, sich ein Bild über die Eignung von Herrn Strache zur Ausübung politischer Ämter zu machen», erklärte der Leiter der Organisation Epicenter.Works, Thomas Lohninger.

Die Organisationen warfen den österreichischen Behörden in einer gemeinsamen Erklärung vor, «nun andere strafrechtlichen Vorwürfe heranzuziehen beziehungsweise in ausufernder Weise zu verfolgen, um Julian H. mundtot zu machen». Der Fall könne künftige potentielle Informanten davon abschrecken, ihre Meinung frei zu äussern.

Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss hatte H. im April eingeräumt, er habe «die Idee» zu dem 2017 mit versteckter Kamera auf der Urlaubsinsel Ibiza aufgenommenen Video gehabt. Dabei wurde der frühere österreichische Vize-Kanzler Strache dabei überführt, wie er einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellte.

Der Skandal um das Umwerben der vermeintlichen Oligarchen-Nichte hatte im Mai 2019 zum Rücktritt des damaligen FPÖ-Chefs und Vize-Kanzlers Strache, zum Bruch der Koalition zwischen ÖVP und FPÖ sowie zu vorgezogenen Neuwahlen geführt.

Im Zuge von Ermittlungen, die durch die Veröffentlichung des Ibiza-Videos ausgelöst worden waren, wurde Strache Ende August wegen Bestechlichkeit zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Dem Urteil zufolge waren für sein Eintreten für eine Gesetzesänderung zugunsten von Privatkliniken Parteispenden an die FPÖ geflossen. Strache beteuert seine Unschuld und will dies in einem Berufungsprozess nachweisen.

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