Prozess gegen ehemalige KZ-Sekretärin in Deutschland
In Itzehoe geht nach der Festnahme der flüchtigen Angeklagten Irmgard F. der Prozess weiter. Die 96-Jährige wird der Beihilfe zu etlichen Morden beschuldigt.

Das Wichtigste in Kürze
- In Deutschland beginnt ein Gerichtsprozess gegen eine ehemalige Nazi-Sekretärin.
- Irmgard F. wird der Beihilfe zum Mord von über 11'000 Personen angeklagt.
- Die Angeklagte wollte flüchten, doch die Behörden konnten sie in Hamburg festnehmen.
Eine ehemalige Sekretärin im Konzentrationslager Stutthof ist am Dienstag in Deutschland angeklagt worden. Ihr werden Beihilfe zum Mord in über 11'000 Fällen vorgeworfen. Die 96 Jahre alte Frau wurde in einem medizinischen Rollstuhl in den Gerichtssaal in einem Logistikunternehmen in Itzehoe (Schleswig-Holstein) geschoben.
Zum eigentlichen Prozessbeginn am 30. September war die Angeklagte nicht erschienen. Sie war nach Angaben des Gerichts untergetaucht. Stunden später wurde die Frau von der Polizei in Hamburg festgenommen.
Das Gericht erliess einen Haftbefehl. Nach fünf Tagen wurde die 96-Jährige unter Anordnung von Sicherungsmassnahmen aus der Haft entlassen.
Das soll Irmgard F. getan haben
Irmgard F. soll von Juni 1943 bis April 1945 in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers bei Danzig (Gdansk) gearbeitet haben. Dies laut Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft. Ihr wird zur Last gelegt, als Stenotypistin und Schreibkraft bei der systematischen Tötung von Gefangenen Hilfe geleistet zu haben.
Im KZ Stutthof, seinen Nebenlagern und auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben etwa 65'000 Menschen. Das sind Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg.
Wendepunkt erweitert Verdachtskreis
Bei der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit hatte die deutsche Justiz über Jahrzehnte nicht alle Beteiligten verfolgt. Nur diejenigen, die zur Leitung der Konzentrationslager gehört oder selbst gemordet hatten, wurden gesucht. Oder solche, die durch besondere Grausamkeit aufgefallen waren, sogenannte Exzess Täter.
Ein Wendepunkt war der Prozess gegen den früheren Wachmann John Demjanjuk. Er wurde 2011 wegen seiner Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen verurteilt. Heutzutage wird auch die allgemeine Dienstausübung in einem Lager, in dem erkennbar systematische Massenmorde stattfanden, juristisch geahndet.