Bei Protesten gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit sind im Irak binnen 24 Stunden mindestens neun Menschen getötet und hunderte weitere verletzt worden.
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Ein Demonstrant in Bagdad, Irak. - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Demonstrationen gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit.

In Nassirija 300 Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad wurden am Mittwoch fünf Demonstranten und ein Polizist erschossen. Am Dienstag war dort ein Demonstrant getötet worden, in Bagdad waren zwei weitere gestorben. In der Hauptstadt wurde die sogenannte Grüne Zone abgeriegelt.

In Bagdad feuerten bei den Protesten gegen Korruption, Missmanagement und Arbeitslosigkeit am Mittwoch Polizisten in die Luft und setzten Tränengas ein, wie ein AFP-Journalist berichtete. Weitere Demonstrationen fanden im zentralirakischen Nadschaf und in Basra im Süden des Landes statt.

Nach den schweren Unruhen vom Vortag war der Tahrir-Platz in Bagdads Zentrum am Mittwoch von den Sicherheitskräften abgeriegelt, doch versammelten sich erneut Demonstranten am Rand. Kleinere Proteste gab es auch im nördlichen Stadtteil al-Schaab und im südlichen Stadtteil Saafaranija. «Ich bin heute auf der Strasse zur Unterstützung meiner Brüder auf dem Tahrir-Platz», sagte der 27-jährige Abdallah Walid in Saafaranija, wo Demonstranten Reifen in Brand steckten.

«Wir wollen Jobs und bessere öffentliche Dienstleistungen. Wir fordern dies seit Jahren, doch die Regierung reagiert nicht», sagte Walid der Nachrichtenagentur AFP. Der arbeitslose Universitätsabsolvent Mohammed Dschuburi sagte, er fühle sich angesichts der Polizeigewalt «wie ein Fremder im eigenen Land». «Wir waren friedlich, doch sie haben geschossen.»

Präsident Barham Saleh verurteilte die Gewalt und rief zu «Zurückhaltung und zur Einhaltung des Gesetzes» auf. «Friedlicher Protest ist ein Verfassungsrecht, das den Bürgern gewährt wird», betonte Saleh. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi, seit einem Jahr im Amt, lobte dagegen die Sicherheitskräfte und machte für die Gewalt nicht näher bezeichnete «Angreifer» verantwortlich, die «gezielt Opfer verursacht» hätten. In Online-Netzwerken stiessen diese Äusserungen auf Kritik.

Der nationalistische Prediger Moktada al-Sadr forderte eine «faire Untersuchung» der Gewalt auf dem Tahrir-Platz. Für Donnerstag rief er zu «friedlichen Sit-ins» und einem Generalstreik auf. 2016 hatten Demonstranten auf seinen Aufruf hin die sogenannte Grüne Zone gestürmt, in der Gebäude der irakischen Regierung und viele ausländische Botschaften liegen. Am Mittwochabend wurde die besonders gesicherte Zone nach Angaben aus Regierungskreisen vorsorglich abgeriegelt.

Der Menschenrechtsausschuss des irakischen Parlaments kritisierte die «Unterdrückung» der Proteste. Die UN-Sonderbeauftragte für den Irak, Jeanine Hennis-Plasschaert, äusserte ihr «tiefes Bedauern über die Todesopfer» und rief die Behörden zur Zurückhaltung gegenüber den Demonstranten auf.

Die irakische Regierung ist seit Jahren immer wieder mit Protesten gegen die verbreitete Korruption und die chronischen Engpässe bei der Strom- und Wasserversorgung konfrontiert. Teilweise gibt es nur vier Stunden Strom am Tag, und die Jugendarbeitslosigkeit liegt laut der Weltbank bei 25 Prozent. Zu den Protesten hatte dieses Mal ungewöhnlicherweise keine Partei aufgerufen. Eine Zeitung sprach von den ersten Protesten «ohne Flagge, ohne Plakate und ohne Parteislogan».

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