Frankreich setzt bei der Energiewende auf den Ausbau der Kernkraft. Zuletzt stolperte der Stromkonzern EDF aber von einem Problem zum nächsten, Berlin half mit Stromlieferungen aus. Nun ändern sich die Vorzeichen.
atomkraftwerk fessenheim frankreich
Das Atomkraftwerk Fessenheim in Ostfrankreich – der Atomausbau im Nachbarland soll kommen. - Jean-Francois Badias/AP/dpa

Atomausstieg in Deutschland, Atomausbau in Frankreich: Bei wenigen Themen ticken die Nachbarn und engen Kooperationspartner Berlin und Paris so unterschiedlich wie in puncto Energie.

Während in Deutschland im April die drei letzten Meiler abgeschaltet worden sind, sieht sich Frankreich vor einer Renaissance bei der Ausweitung der Kernkraft.

Probleme bei den grossen Ausbauplänen hat in den vergangenen Monaten aber ausgerechnet der zuständige Stromkonzern EDF gemacht. Damit soll nun Schluss sein. Seit heute ist das verschuldete Sorgenkind wieder komplett in staatlicher Hand. Für Deutschland dürfte das eine gute Nachricht sein.

Instabile Versorgungslage

Rückblende in den vergangenen Sommer: Risse und Hitze machen französischen Meilern zu schaffen und treiben so manchem im politischen Berlin inmitten der Diskussion um einen Weiterbetrieb der letzten deutschen Atomkraftwerke Schweissperlen auf die Stirn.

Denn weil in Frankreich auch noch Instandsetzungsarbeiten an den in die Jahre gekommenen Anlagen durchgeführt werden, produziert monatelang nur etwa die Hälfte der dortigen 56 Atomkraftwerke Strom. Gepaart mit Einbussen bei der Wasserkraft bescherte das Frankreich 2022 letztlich eine so geringe Stromproduktion wie seit 30 Jahren nicht mehr und zwang das Land mitten in der Energiekrise zum verstärkten Stromimport – auch aus Deutschland.

Diese instabile Versorgungslage will Paris nun Geschichte sein lassen. «Wir können die Kontrolle über unsere Stromerzeugung zurückgewinnen», sagte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zur Verstaatlichung von EDF. Der Konzern soll die Produktion von den 279 Terawattstunden im vergangenen Jahr wieder hochtreiben auf 350 Terawattstunden, so schnell wie möglich sollen sechs neue Meiler gebaut werden. Die Energieautonomie Frankreichs würde so gestärkt.

In Deutschland wird man hoffen, dass sich die französische Stromproduktion mit der Verstaatlichung tatsächlich stabilisiert – und das obwohl erst im Frühjahr erneut Risse an Meilern entdeckt wurden und die Kontrollarbeiten bis zum kommenden Frühling andauern sollen. Denn während Deutschland Frankreich in der Krise Strom lieferte und im Ausgleich dafür Erdgas erhielt, zeigen die aktuellen Strommarktdaten der Bundesnetzagentur, dass die Bundesrepublik seit Mai wieder mehr Strom aus dem Nachbarland erhält, als es abgibt.

«Brauchen Verfügbarkeit der französischen Kernkraft»

«Wir brauchen eine hohe Verfügbarkeit der französischen Kernkraft unbedingt in den nächsten zehn Jahren», sagte Eon-Chef Leonhard Birnbaum kürzlich. «Denn ansonsten wird die Umstellung auf Erneuerbare für uns unglaublich schwierig.» Wenn sie verfügbar sei, stabilisiere die französische Kernkraft den europäischen Strommarkt.

Mit Blick auf den vergangenen Sommer sagte Birnbaum: «Die hohen Strompreise waren auch getrieben durch die niedrige Verfügbarkeit der französischen Kernkraft.» Die Eon-Tochter Preussenelektra hat mit Isar 2 im bayerischen Essenbach eines der drei bis zuletzt produzierenden deutschen Atomkraftwerke betrieben.

Noch steht aber nicht fest, wie schnell EDF die Produktion hochfahren kann. Versorgungsunsicherheiten könnten auch den nächsten Winter prägen. Frankreich will daher – und um bei der Energiewende voranzukommen – auch bei den Erneuerbaren Tempo machen, vor allem bei der Windkraft. Mit der Erzeugung von Strom aus Wind in Deutschland kann Frankreich bisher bei weitem nicht mithalten. Die Windräder sind in Teilen der französischen Bevölkerung zudem äusserst unbeliebt. Die rechtsnationale Konkurrentin Emmanuel Macrons bei der Präsidentschaftswahl 2022, Marine Le Pen, liess sich gar zum Versprechen hinreissen, die Windräder im Land allesamt abzubauen.

Die Mitte-Regierung setzt nun verstärkt auf Offshore-Anlagen. Frankreichs lange und windreiche Küsten am Atlantik und am Mittelmeer eignen sich laut Stromnetzbetreiber RTE gut für die Installation schwimmender Parks. Bis 2050 will Frankreich auf See rund 50 Offshore-Windparks mit 40 Gigawatt Leistung schaffen. In Prognosen wird davon ausgegangen, dass sie dann 12 bis 31 Prozent des französischen Stroms liefern könnten. Nahe dem südfranzösischen Perpignan haben die Arbeiten für einen ersten schwimmenden Pilot-Park bereits begonnen.

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