Im Prozess um die Anschläge in Paris 2015 setzen viele auf die Aussage des einzigen Überlebenden des Terrorkommandos. Stundenlang schweigt der Angeklagte. Dann bringt ihn eine persönliche Frage zum Reden.
Diese Gerichtszeichnung zeigt den Hauptangeklagte Salah Abdeslam (M) während einer Sitzung des Pariser Sondergerichts zum Prozess zu den Anschlägen vom 14. November 2015 in Paris, bei dem mehr als 130 Menschen getötet wurden.
Diese Gerichtszeichnung zeigt den Hauptangeklagte Salah Abdeslam (M) während einer Sitzung des Pariser Sondergerichts zum Prozess zu den Anschlägen vom 14. November 2015 in Paris, bei dem mehr als 130 Menschen getötet wurden. - Benoit Peyrucq/AFP/dpa

Knapp sieben Monate nach dem Start geht es im Prozess um die islamistischen Terroranschläge 2015 in Paris mit 130 Toten erstmals um das verheerende Tatgeschehen selbst.

Dabei sagte der Hauptangeklagte Salah Abdeslam am Mittwoch zwar zu der seit langem offenen Frage seines nicht gezündeten Sprengstoffgürtels aus, dass er diesen absichtlich nicht zur Explosion gebracht habe. Fragen zu Planung und ursprünglichem Umfang des Terrorvorhabens sowie zu seiner Entschlossenheit und Motivation liess der einzige Überlebende des Terrorkommandos aber unbeantwortet.

Abdeslam soll in Paris einen Sprengstoffgürtel gehabt, ihn aber nicht gezündet, sondern in einem Vorort weggeworfen haben. Dort wurde dieser später gefunden. «Ich habe mich entschieden, den Gürtel nicht zu zünden, nicht aus Angst, es war meine Entscheidung», sagte der Franzose aus. Dass er später in seinem Umfeld gesagt habe, der Gürtel habe nicht funktioniert, er werde beim nächsten Mal besser ausgestattet sein, sei eine Lüge gewesen, sagte Abdeslam. «Ich habe mich geschämt, angesichts der anderen.» Ein Sachverständiger sagte allerdings vor Gericht aus, dass die Sprengstoffweste wegen mehrerer Defekte nicht funktionsfähig gewesen sei.130 Menschen waren ums Leben gekommen

Bei der Anschlagsserie am 13. November 2015 hatten Extremisten insgesamt 130 Menschen getötet. Drei Angreifer verübten ein Massaker im Konzertsaal «Bataclan», andere griffen Bars und Restaurants an. Am Stade de France sprengten sich zudem während eines Fussball-Länderspiels zwischen Deutschland und Frankreich drei Selbstmordattentäter in die Luft. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Taten, die Frankreich ins Mark trafen, für sich. Angeklagt sind insgesamt 20 mutmassliche Islamisten.

Zunächst hatte Abdeslam am Mittwoch erklärt, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Der Vorsitzende Richter setzte dennoch seine Rekonstruktion der Anschläge anhand der Ermittlungen und früherer Angaben fort und richtete über zwei Stunden Fragen an ihn, die unbeantwortet blieben. Eine Nebenklageanwältin brachte Abdeslam schliesslich mit einer sehr persönlichen Frage zu seiner Verlobten dazu, sein Schweigen zu brechen. «War das eine richtige Liebesgeschichte?», wollte sie wissen. «Ich liebte sie ernsthaft, das will ich hier sagen», erwiderte der Angeklagte.

«Was bewegt einen Menschen, eine solche Entscheidung zu treffen», fragte die Nebenklageanwältin. «Haben Sie über das Leid nachgedacht, was Sie Dutzenden Paaren zufügen werden?» Abdeslam gab der Anwältin zunächst eine Antwort, zu einer Detailfrage, zu der er ihr an einem vorherigen Prozesstag Auskunft zugesichert hatte, und kam dann zu seiner Sicht von Gerechtigkeit zu sprechen.

«Mich heute zu äussern, wird die Dinge für mich nicht ändern. Wenn Sie nur darauf schauen, was der Islamische Staat getan hat, und nicht darauf, was Sie getan haben, werden Sie kein faires Urteil fällen.» Abdeslam hatte in einer früheren Aussage die Terrortat mit angeblichen französischen Angriffen in Syrien mit zivilen Opfern begründet.

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