Nach Putin-Frust: Macht Trump im Ukraine-Krieg wirklich Kehrtwende?
US-Präsident Donald Trump stellt sich plötzlich hinter die Ukraine. Wie ernst ist seine neue Haltung wirklich?

Das Wichtigste in Kürze
- Donald Trump hat eine überraschende Wende in seiner Russlandpolitik vollzogen.
- Er ist überzeugt, die Ukraine könne ihr Staatsgebiet zurückerobern – mit westlicher Hilfe.
- Experten schätzen die Situation ein und erklären, ob die Kehrtwende Substanz hat.
US-Präsident Donald Trump hat überraschend eine Kehrtwende in seiner Russlandpolitik vollzogen. Nach früherer diplomatischer Zurückhaltung zeigt sich Trump jetzt überzeugt: Die Ukraine könnte mit westlicher Unterstützung ihr gesamtes Staatsgebiet von Russland zurückerobern.
In der Vergangenheit hatte Trump mehrfach Gebietsabtretungen an Russland in Betracht gezogen.
Trump betonte, dass mit viel Zeit, Geduld und finanzieller Unterstützung insbesondere seitens der NATO diese Strategie realistisch sei. Das schreibt der US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social.
Doch wie ernst ist es ihm mit seiner neuen Haltung?
«Schwierig zu sagen»
Ob es sich bei Trump wirklich um eine ernsthafte Kehrtwende handelt, sei schwer zu sagen. Das meint Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz von der Universität Fribourg: «Er macht immer wieder Kehrtwendungen.»
Hinter Trumps überraschender neuer «Position» stecke womöglich auch Frust. Darüber, dass sein «Deal-Plan» mit Putin gescheitert sei und Russland weiterhin ukrainische Städte mit Drohnen und Raketen angreift.
«Hinter dieser laut vorgetragenen Kehrtwende kann auch nur das Kalkül stehen, dass er Druck auf Putin ausüben will», so Hayoz. Bisher sei das allerdings nie aufgegangen: «Trump hat ja x-mal mit Sanktionen gegen Russland gedroht – und sie nie umgesetzt.»
«Steht in den Sternen»
Positiv wertet Hayoz immerhin, dass Trump nicht mehr von «Konzessionen» wie Gebietsabtretungen spricht, die die Ukraine bei einem Waffenstillstand machen müsste. Sondern davon, «dass die Ukraine das Recht hat, ihr ganzes Territorium wieder zurückzuerobern».
Wie das konkret geschehen soll, bleibe allerdings völlig offen: «Wenn man davon ausgeht, dass die USA die Ukraine nicht weiter mit eigenen Waffenlieferungen unterstützen werden, sondern nur über die NATO», dann stehe das in den Sternen.
«Grosse Skepsis ist angebracht, denn Taten folgen selten»
Trumps Rhetorik sorge zwar regelmässig für Aufsehen, «aber ihr sind noch selten Taten gefolgt», sagt Hayoz. Grosse Skepsis sei daher angebracht.
Dennoch: «Die Europäer können zumindest vorderhand hoffen, dass Trump auf ihrer Seite ist. Was immer das auch heissen mag.» Mit mehr Unterstützung sei nicht zu rechnen.

Nun liege der Ball bei den Europäern. Sie müssten die Ukraine deutlich stärker unterstützen – und endlich ihre Abhängigkeit von russischem Öl beenden.
Hayoz: «Das hat Trump immer wieder betont. Solange das nicht geschieht und Putin die Wirkungen von Sanktionen und von stärkerer Unterstützung für die Ukraine nicht zu spüren bekommt, wird der Krieg weitergehen.»
«Trump drückt sich nach wie vor»
Auch Ulrich Schmid, Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen, glaubt nicht an eine verlässliche Unterstützung der USA: «Die USA sind bereit, Waffen zu verkaufen, die in die Ukraine geliefert werden.» Trump drücke sich weiterhin davor, wirtschaftlich spürbare Sanktionen gegen Russland zu verhängen.
Im Ukraine-Krieg agiere Trump ausgesprochen erratisch, so Schmid: «Er vertritt – je nachdem, ob er zuletzt mit Putin oder Selenskyj gesprochen hat – russlandfreundliche oder ukrainefreundliche Positionen.»
Neu sei allerdings ein Detail mit Signalwirkung. Die Ankündigung, dass die Krim zur Ukraine zurückkehren könnte. «Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte das noch im Februar praktisch ausgeschlossen», erinnert Schmid.
US-Experte: «Herumrudern in der Sackgasse»
Auch US-Experte Reinhard Heinisch (Universität Salzburg) sieht keine grundsätzliche Kehrtwende, «sondern ein Herumrudern in der Sackgasse». Trump wolle den Konflikt rasch beenden und keine seiner Strategien habe funktioniert.
Der US-Präsident wolle keine weiteren internationalen militärischen Commitments: «Er ist eigentlich ein erklärter Konfliktgegner und sieht das ganze auch als Kostenverschwendung.»
Heinisch: «So sehe ich insgesamt ‹more of the same›.»