Beim ersten richtig grossen Fest in Israel seit Pandemie-Beginn kommt es zu einem unfassbaren Drama: Bei einer Massenpanik sterben mindestens 44 Menschen.
Dutzende Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
Ultraorthodoxe jüdische Jugendliche stehen an der jüdisch-orthodoxen Pilgerstätte auf dem Berg Meron, wo am frühen Morgen während des jüdischen religiösen Festes Lag BaOmer im Norden Israels Dutzende von Gläubigen bei einer Massenpanik getötet wurden. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einer Massenpanik auf einem Pilgerfest in Israel sind 44 Menschen gestorben.
  • 38 starben am Ort des Unglückes – weitere Opfer wurden in den Krankenhäusern gemeldet.
  • Mehr als 100 Menschen wurden laut den Rettungsdiensten verletzt, viele lebensgefährlich.

Israel steht unter Schock: Bei einer Massenpanik auf einem jüdischen Fest im Norden Israels sind nach Angaben von Rettungskräften mindestens 44 Menschen ums Leben gekommen.

Hier gibts die wichtigsten Antworten.

Was ist passiert?

Das Unglück geschah auf dem Berg Meron. Zehntausende Ultraorthodoxe begingen den jüdischen Feiertag Lag Baomer. Dann kam es zu einer Massenpanik. Nach ersten Erkenntnissen begann diese, als Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden fielen dann übereinander.

«Es passierte im Bruchteil einer Sekunde, die Leute fielen einfach hin und trampelten aufeinander herum. Es war einen Katastrophe!», sagt eine Augenzeugin gegenüber der israelischen Zeitung «Haaretz».

38 Menschen sind gemäss Nachrichtenagentur AFP noch am Ort des Unglücks gestorben. Es gab aber weitere Opfer in den Krankenhäusern. Gemäss Gesundheitsministerium sind es insgesamt 44 Todesopfer.

Mehr als 100 Menschen wurden verletzt, viele lebensgefährlich. Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, einige auch per Rettungshubschrauber.

Sind Schweizer betroffen?

Gemäss dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass auch Schweizer vor Ort waren. Die Abklärungen dauern an, so ein Sprecher zu Nau.ch.

Jonathan Kreutner SIG
Der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Jonathan Kreutner. - zvg

Die Tragödie macht auch hierzulande betroffen. Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, hält gegenüber Nau.ch fest: «Wir sind sehr betroffen, dass es beim Berg Meron zu einem so tragischen Unglück gekommen ist. Wir trauern um die Toten und unser Mitgefühl und unsere Gedanken sind bei den Verletzten und den Angehörigen.»

Was ist das für ein Fest?

Lag Baomer ist traditionell ein jüdisches Freudenfest, das die Trauerzeit zwischen Pessach und Schawuot unterbricht. Auch dient das Fest der Erinnerung an Rabbi Schimon bar Jochai, der gegen die Römer gekämpft haben soll und an dem Tag verstorben ist. Seine Grabstätte liegt in Meron.

Im vergangenen Jahr war das Fest wegen der Corona-Pandemie so nicht möglich. Doch inzwischen sind die Infektionszahlen drastisch gesunken.

Umso ausgelassener war die Stimmung, bevor es zur Panik kam. In sozialen Netzwerken finden sich zahlreiche Videos des Abends. Eine riesige Menschenmenge ist dort zu sehen, die ausgelassen feiert, tanzt und springt. Dann brach tief in der Nacht die Panik aus.

Warum waren so viele Menschen am Fest?

Die Behörden hatten die Teilnehmerzahl zwar auf 10'000 begrenzt, nach Medienberichten waren aber bis zu zehnmal mehr Menschen in den Wallfahrtsort gereist. Darum wurden bereits Vorwürfe an die Polizei laut, sie habe Menschen in das abgesperrte Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei.

Nach Beginn der Panik habe die Polizei dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik. Insgesamt waren rund 5000 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Pilgerfest Israel
Der Schock in Israel ist gross: Wegen einer Massenpanik bei einem Pilgerfest sterben mindestens 44 Menschen.
Dutzende Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
So sah es vor der Massenpanik aus: Menschen versammeln sich und feiern den jüdischen Feiertag Lag BaOmer auf dem Berg Meron.
Dutzende Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
Die Stimmung war ausgelassen, bis die Panik ausbrach.
Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
Dieses vom israelischen Rettungsdienst Magen David Adom zur Verfügung gestellte Foto zeigt Ersthelfer in der jüdisch-orthodoxen Pilgerstätte am Berg Meron.
Pilgerfest Israel
Leichensäcke bei dem Pilgerfest in Israel sind aufgereiht.
APTOPIX Israel Festival Stampede
Auf dieser Treppe kam es zur Tragödie.
Dutzende Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
Israelische Rettungskräfte tragen die Leiche eines Opfers in einen Krankenwagen.
Dutzende Tote bei Massenpanik auf Fest in Nord-Israel
Eine Brille und Kippas liegen auf einer Stufe in der jüdisch-orthodoxen Pilgerstätte.
Israel Festival Stampede
Ein Sprecher des israelischen Rettungsdienstes Zaka hat die Massenpanik im Norden des Landes mit 44 Todesopfern am Freitag als «nationale Katastrophe» beschrieben.

Zudem hätten sich nach dem Unglück Hunderte Strenggläubige geweigert, den Ort zu verlassen. Wie die «Times of Israel» berichtete, folgten sie den Anweisungen der Polizei nicht. Es sei auch zu Auseinandersetzungen gekommen, unweit des Ortes der Panik. «Sie blockieren uns ohne Grund», zitierte die Zeitung einen Anwesenden. «Ich will beten.» Auch im Fernsehen waren Bilder der Konfrontationen zu sehen.

Die Polizei hat nun die Ermittlungen aufgenommen.

Wie sehen die Reaktionen zum Unglück aus?

Präsident Reuven Rivlin schrieb bei Twitter, er verfolge die Berichte aus dem Ort Meron und bete für die Genesung der Verletzten. Regierungschef Benjamin Netanjahu äusserte sich erschüttert über das «schlimme Unglück».

Er hat eine umfassende Untersuchung der Massenpanik mit Dutzenden Toten im Norden des Landes angekündigt. Für Sonntag kündigte er einen nationalen Trauertag an.

Israel Meron Massenpanik
Im Norden von Israel starben zahlreiche Menschen bei einer Massenpanik. - Keystone

«Wir haben es gerade mit einem der schlimmsten Unglücke Israels zu tun gehabt», sagt Dov Meisel von der Organisation United Hatzalah am frühen Freitagmorgen in einem Interview. Die Helfer seien grauenhaften Anblicken ausgesetzt gewesen, die es seit den blutigsten Tagen der Terrorwellen zu Beginn der 2000er Jahre nicht mehr gegeben habe. «Mir fehlen die Worte, mir fehlen wirklich die Worte.»

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