Seit Tagen ist davon die Rede, jetzt wird es Ernst: Ungeimpfte dürfen in Österreich ihr Zuhause nur noch aus dringenden Gründen verlassen. Die Folge: Die Impfbereitschaft wächst deutlich.
Nach einem Corona-Krisengipfel der Regierung kam es zu den Protesten in der österreichischen Hauptstadt. Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa
Nach einem Corona-Krisengipfel der Regierung kam es zu den Protesten in der österreichischen Hauptstadt. Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Österreich gilt im Kampf gegen die vierte Welle der Corona-Pandemie seit Mitternacht ein Lockdown für Ungeimpfte.

Das beschlossen Bundeskanzler Alexander Schallenberg und die Regierungschefs der Länder am Sonntag in Wien.

Die weitreichenden Ausgangsbeschränkungen sind zunächst auf zehn Tage befristet. Betroffen sind etwa zwei Millionen Menschen. Die Polizei will eigens Streifen abstellen, um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen. Bei Verstössen drohen bis zu 1450 Euro Strafe.

Wer weder geimpft noch genesen ist, darf das Haus oder Wohnung nur noch aus dringenden Gründen verlassen - etwa für Einkäufe des täglichen Bedarfs, für den Weg zur Arbeit, den Besuch beim Arzt oder zum für nötig erachteten Spaziergang. Ziel sei, die Impfbereitschaft zu erhöhen und die sozialen Kontakte um etwa 30 Prozent zu verringern, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein.

Nächtliche Ausgangsbeschränkungen für alle möglich

Die österreichische Bundesregierung denkt auch an nächtliche Ausgangsbeschränkungen für alle Bürger. Dieser Vorschlag liege auf dem Tisch und darüber werde am kommenden Mittwoch entschieden, sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Sonntagabend in der ORF-Nachrichtensendung «ZiB2».

«Wir sitzen alle im gleichen Boot», sagte Mückstein. Wenn ein allgemeiner Lockdown verhindert werde solle, sei eine Verringerung der Kontakte zwischen den Menschen zwingend erforderlich, so der Minister weiter. Die Beschränkungen würden ab 22.00 Uhr gelten und auch eine erneute Schliessung der Nachtgastronomie bedeuten.

Mitte der Woche werde man sehen, ob schon diese Massnahme gewirkt habe, so Mückstein weiter. Er betonte erneut, dass das Ausmass der vierten Corona-Welle vor allem auf die Ungeimpften zurückzuführen sei.

Inzidenz auf 815 gestiegen

Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner ist in Österreich inzwischen auf rund 815 gestiegen. Für Schüler gilt der Lockdown nicht. «In den Schulen geht es so weiter wie bisher», sagte Schallenberg mit Blick darauf, dass mehrere Tests pro Woche dort schon üblich sind. «Wir setzen den Schritt nicht leichten Herzens», versicherte der Kanzler. Die Zahlen seien aber eindeutig.

Unter den Ungeimpften betrage die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner mehr als 1700, so Schallenberg. Es gelte nun mit aller Kraft, die «beschämend niedrige» Impfquote von etwa 65 Prozent endlich zu erhöhen. «Mit dieser Impfquote werden wir im Teufelskreis steckenbleiben.» Österreich hat knapp neun Millionen Einwohner. Der Kanzler sagte weiter, die Massnahmen seitens der Bundesregierung seien die «Unterkante» der Möglichkeiten. Den Ländern stünde frei, noch strengere Regeln zu erlassen.

Schon jetzt sind die Einschränkungen für Ungeimpfte gross - etwa durch die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet) am Arbeitsplatz und die 2G-Regel (geimpft oder genesen) im öffentlichen Leben. Aufgrund der seit Anfang November gelten Verschärfungen stieg die Zahl der Impfungen sprunghaft an und liegt nun wieder auf dem Niveau von Juli. Wer sich zu einer Erstimpfung entschliesst, kann sich mit anschliessenden PCR-Tests aus dem Lockdown freitesten.

Schritt wegen hoher Dynamik vorgezogen

Nach einem Stufenplan der Regierung sollte der Lockdown für Ungeimpfte eigentlich erst bei einer Zahl von 600 belegten Intensivbetten kommen. Aktuell sind nach Angaben der Behörden 433 Plätze belegt. Wegen der Dynamik bei den Infektionszahlen zog die Regierung den Schritt nun aber vor. Um eine zu starke Belastung der Kliniken zu vermeiden, fordern Experten einen Lockdown für alle. Das will die Regierung vermeiden. Es soll verhindert werden, dass die Impfbereitschaft wieder sinkt.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte sich in die Diskussion eingeschaltet. «Die Stimmung in unserer Bevölkerung reicht angesichts extrem steigender Zahlen von Depression und Sorge um das wirtschaftliche Fortkommen bis zu wechselseitigem Unverständnis und Aggression», schrieb das Staatsoberhaupt auf Facebook. Das Land brauche angesichts der bedrohlichen Situation Klarheit und vielleicht auch unbequeme Massnahmen.

Deutschland hat Österreich wieder zum Corona-Hochrisikogebiet erklärt. Damit müssen Reisende und Pendler seit Sonntag verschärfte Regeln beachten. Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss bei der Rückkehr nach Deutschland mindestens für fünf Tage in Quarantäne.

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