Der britische Premierminister, Boris Johnson, hat am Sonntag seinen Chefberater, Dominic Cummings, in Schutz genommen. Das ging aber nach hinten los.
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Der britische Premierminister Boris Johnson. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Chefberater von Boris Johnson geriet wegen Lockdown-Verstösse in die Kritik.
  • Johnson selbst versuchte nun, am Sonntag Cummings in Schutz zu nehmen.
  • Die Glaubwürdigkeit der Regierung könnte durch diese Aktion stark gelitten haben.

Boris Johnson ist nach dem demonstrativen Eintreten für seinen in die Kritik geratenen Chefberater Dominic Cummings selbst unter Beschuss geraten. Johnson hatte am Sonntag versucht, einen Strich unter die Affäre wegen angeblicher Lockdown-Verstösse zu ziehen. Der britische Premierminister hat seinen Berater von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen.

Cummings wird vorgeworfen, gegen die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie verstossen zu haben. Dies mit einer Reise von London zu Familienangehörigen ins rund 430 Kilometer entfernte Durham Ende März. Der Berater gab an, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, die Betreuung seines vier Jahre alten Sohns sicherzustellen. Johnson liess das als legitimen Grund gelten, um die damals geltenden strengen Ausgangsbeschränkungen zu umgehen.

Die Glaubwürdigkeit der Regierung könnte durch die grosszügige Auslegung der Lockdown-Regeln für den Regierungsberater ernsthaften Schaden genommen haben. Mehrere Experten, die nach eigenen Angaben die Regierung bisher beraten hatten, äusserten sich besorgt. Der Psychologe Stephen Reicher beispielsweise twitterte:

«In ein paar Minuten hat Boris Johnson alle Ratschläge in den Müll geworfen. Um Vertrauen aufzubauen und die Sicherheitsmassnahmen zum Schutz vor COVID-19 einzuhalten.»

Weitere Details gelangen an Öffentlichkeit

Die Boulevardzeitung «Daily Mail» titelte am Montag zu Bildern von Johnson und Cummings: «Auf welchem Planet leben die eigentlich?» Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei zeigte sich von Johnsons Vorgehen enttäuscht. «Das war ein grosser Test für den Premierminister und er ist gerade durchgefallen», sagte Starmer in einem BBC-Interview.

Dominic Cummings
Dominic Cummings am Sonntag vor seinem Haus. - AFP

Millionen Menschen hätten qualvolle Entscheidungen treffen müssen. Beispielsweise Angehörige nicht zu besuchen, und nicht zu Beerdigungen zu gehen, sagte der Labour-Chef.

Nicht auszuschliessen scheint, dass in der Sache noch weitere Details an die Öffentlichkeit gelangen. Der «Guardian» und der «Daily Mirror» berichteten am Sonntagabend, ein Augenzeuge, der Cummings am 12. April an einem Ausflugsziel rund 50 Kilometer vom Wohnhaus seiner Eltern entfernt gesehen haben will, habe inzwischen Anzeige erstattet. Die Regierung stritt weitere Aufenthalte Cummings in Durham ab.

Epidemie könnte wieder an Fahrt gewinnen

Grossbritannien hat offiziellen Statistiken zufolge die höchste Zahl an Todesfällen durch die Coronavirus-Pandemie in Europa. Bis Samstag starben dort knapp 36 800 Menschen, nachdem sie positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Inzwischen ist die Zahl der täglich neu gemeldeten Infektionen und Todesfälle zurückgegangen.

Doch es wird befürchtet, dass die Epidemie wieder an Fahrt aufnehmen könnte. Sofern die Regeln zur Kontaktbeschränkung nicht mehr eingehalten werden sollten. Cummings könnte das Vertrauen in die Regierung irreparabel beschädigt haben, meinen Kritiker.

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