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Gewerkschaft der Polizei: Böllerverbot kaum durchsetzbar

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Deutschland,

Kommt im Corona-Jahr das Böllerverbot zu Silvester oder nicht? Eine Mehrheit der Bevölkerung wäre damit einverstanden. Allerdings gibt es Zweifel, ob ein Verbot überhaupt umsetzbar wäre.

Feuerwerk 2018 bei Deutschlands grösster Silvesterparty am Brandenburger Tor in Berlin. Foto: Ralf Hirschberger/dpa
Feuerwerk 2018 bei Deutschlands grösster Silvesterparty am Brandenburger Tor in Berlin. Foto: Ralf Hirschberger/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Allen ist klar: Die Feiertage werden im Corona-Jahr anders als sonst.

Ein angedachtes Böllerverbot zu Silvester stösst auf Verständnis in der Bevölkerung, dürfte sich jedoch kaum durchsetzen, weil mächtige Bundesländer in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) dagegen sind.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte, es gehe nicht um schön klingende Forderungen, sondern vor allem um die Umsetzbarkeit. In der Hauptstadt wäre ein generelles Böllerverbot nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei Berlin kaum umzusetzen. Mit einem Verbot sei es nicht getan, sagte GdP-Landeschef Norbert Cioma.

«Man müsste verhindern, dass Leute Pyrotechnik kaufen können und die Sicherheitsbehörden so ausstatten, dass sie Verstösse ahnden können. Beides ist derzeit nicht gegeben», warnte Cioma. «Viele haben noch Vorräte aus den letzten Jahren und zur Wahrheit gehört, dass wir mangels Fahrzeugen gar nicht noch mehr Funkwagen in der Silvesternacht auf die Strasse bringen könnten.» Cioma mahnte, es gehe nicht um schön klingende Forderungen, sondern vor allem auch um Umsetzbarkeit.

Knapp zwei Drittel der Bundesbürger (64 Prozent) sind laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov dafür, das Silvesterfeuerwerk 2020/'21 wegen der Corona-Krise zu verbieten. 25 Prozent lehnen ein Verbot derzeit ab, 10 Prozent machten keine Angabe. Gefragt wurden die Teilnehmer, ob sie ein Feuerwerksverbot «in diesem Jahr aufgrund der coronabedingten Überlastung von Gesundheitssystem und Krankenhäusern» befürworten oder ablehnen.

Eine Skepsis gegenüber Krachern und farbenfrohen Funken am Silvesterhimmel gibt es in Deutschland schon seit Jahren - freilich früher aus anderen Gründen. Schon 2019 gaben 57 Prozent der Bundesbürger in einer Yougov-Umfrage fürs Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) an, dass «Böllern zu Silvester aus Umwelt- und Sicherheitsgründen verboten» werden sollte.

Wegen Corona wird nun besonders kontrovers über Böller und Raketen diskutiert. Der Innenminister des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), sprach sich dagegen aus, entscheiden müssten aber die Kommunen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte im ARD-Fernsehen, Weihnachten solle «freier» sein, «dafür Silvester wieder konsequenter». Für den 31.12. wünscht er sich ein Böller- oder Alkoholverbot auf grossen Plätzen. «Ein generelles Böllerverbot braucht es aber nicht.» Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hält auch nichts vom Verbieten: «Feuerwerk muss Silvester trotz Corona möglich sein», sagte er der «Bild».

Antje Kapek, Grünen-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus von Berlin, hatte schon am vorletzten Wochenende ein Böllerverbot gefordert. «Verkaufsverbote sind der einzig sinnvolle Weg, grosse Menschenansammlungen und viele Verletzte zu verhindern. Ich hoffe sehr, dass sich dieser Vorschlag auf der MPK durchsetzt.»

Die sieben unionsgeführten Bundesländer sind anders als die sieben SPD-geführten Länder gegen ein Verkaufsverbot für Silvesterböller. Der Verkauf und das Mitführen von Pyrotechnik solle nicht untersagt werden, heisst es in einem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur am Montag vorlag. Stattdessen solle es einen Appell geben sowie ein Verbot von Feuerwerk auf belebten Plätzen.

In einem Papier Berlins als amtierendes MPK-Vorsitzland heisst es dagegen, zum Jahreswechsel solle der Verkauf, der Kauf und das Zünden von Feuerwerk verboten werden - insbesondere um die Einsatz- und Hilfskräfte zu entlasten und grössere Gruppenbildungen zu vermeiden.

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Böllerbranche laut Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) rund 130 Millionen Euro Umsatz. Der Verband warnte vor einem Totalverbot: «Ohne das Silvester-Geschäft droht der Feuerwerksindustrie das Aus», sagte VPI-Geschäftsführer Klaus Gotzen «t-online». «Womöglich gibt es dann nie wieder Feuerwerk in Deutschland.» Auch der Handel warnte: Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Montag), von «einer Mehrbelastung der Krankenhäuser» könne bei fachgerechtem Gebrauch keine Rede sein. «Ein Verbot könnte am Ende dazu führen, dass die Verbraucher häufiger zu illegalen Feuerwerkskörpern auf dem Schwarzmarkt greifen.»

Deutschlands grösste Silvesterparty am Brandenburger Tor in Berlin wurde schon abgesagt, die dortige ZDF-Show mit Andrea Kiewel und Johannes B. Kerner und Stars wie Peter Maffay soll es aber geben.

Auch beim Thema Weihnachten rumort es vor allem in den C-Parteien und unter den CDU-Vorsitzkandidaten. So diskutierten viele in sozialen Netzwerken ein plakatives Zitat von NRW-Regierungschef Armin Laschet, der der «Welt am Sonntag» gesagt hatte, es stehe «das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben» bevor. Es sei aber eine Illusion zu glauben, man könne 80 Millionen Menschen verbieten, Weihnachten die Familie zu treffen. Friedrich Merz hatte dem Berliner «Tagesspiegel» (Sonntag) gesagt, das Fest in der Familie sollte nicht in Frage gestellt werden. «Es geht den Staat auch nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere.»

2015 hatte ein Werbespot für Aufsehen gesorgt, in dem ein alter Mann seinen Tod vortäuscht, um seine treulosen Familienmitglieder, die mit Ausreden seine Einladung absagen, zum Weihnachtsfest zu sich zu holen. «Wie hätte ich euch denn sonst alle zusammenbringen sollen? Mmh?» Fünf Jahre später nimmt zumindest ein Grossteil der Politik eine ganz andere Stimmungslage an: Will Deutschland wirklich nichts lieber, als sich zum Fest in möglichst grossem Familienkreis treffen?

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