Justiz macht Soldaten für «Ballymurphy-Massaker» in Belfast 1971 verantwortlich
Knapp 50 Jahre nach dem gewaltsamen Tod von zehn Zivilisten in Belfast hat die nordirische Justiz der britischen Armee «unverhältnismässige» Gewalt vorgeworfen.

Das Wichtigste in Kürze
- Ermittlerin spricht von «unverhältnismässiger» Gewalt gegen unschuldige Zivilisten .
Alle Opfer seien «völlig unschuldig» gewesen, befand Untersuchungsrichterin Siobhan Keegan am Dienstag im Verfahren um die Vorfälle vom August 1971 im Belfaster Stadtteil Ballymurphy.
Auf dem Höhepunkt des Nordirlandkonflikts zwischen Katholiken, die eine Wiedervereinigung der britischen Provinz mit Irland anstrebten, und Protestanten, die die britische Krone unterstützten, waren zwischen dem 9. und 11. April in Ballymurphy zehn Menschen erschossen worden. Unter den Opfern waren auch ein katholischer Priester sowie eine achtfache Mutter.
Die seit November 2018 laufenden Untersuchungen zum «Ballymurphy-Massaker» ergaben, dass in mindestens neun Fällen britische Soldaten die tödlichen Schüsse abgegeben hatten. Bei dem zehnten Opfer liess sich der Schütze nach den Worten von Keegan nicht eindeutig ermitteln. Die Ermittlungsrichterin zeigte sie sich schockiert über die «Unzulänglichkeit der ursprünglichen Untersuchung».
In ihrem Bericht kam die Untersuchungsrichterin zu dem Schluss, dass die Armee keine überzeugende Rechtfertigung für die tödlichen Schüsse geliefert habe. «Die Armee hatte die Pflicht, Leben zu schützen und Schaden zu begrenzen, und die Anwendung von Gewalt war eindeutig unverhältnismässig», sagte Keegan. Die einzelnen Todesschützen liessen sich nach ihren Angaben aber nicht mehr ermitteln.
Dutzende Angehörige der Opfer, die der Anhörung beiwohnten, brachen nach dem Urteil in Beifall aus. «Es ist 50 Jahre her», sagte die heute 63-jährige Joan Connolly, deren gleichnamige Mutter unter den Getöteten war, der Nachrichtenagentur AFP. «Es hat unser Leben zerstört», fügte sie weinend hinzu. «Aber heute haben wir Gerechtigkeit, wir haben unseren Frieden. Wir haben den Namen meiner Mutter reingewaschen».
Der irische Aussenminister Simon Coveney sagte, die Ergebnisse seien «eine immense Erleichterung und Bestätigung» für die Familien.
Ursprünglich waren britische Soldaten 1969 in die Provinz Nordirland entsandt worden, um die Lage zu beruhigen. Während des drei Jahrzehnte andauernden Konflikts wurden rund 3500 Menschen getötet. Er endete mit einem Friedensabkommen zum Karfreitag 1998. Zuletzt nahmen die Spannungen zwischen den beiden Lagern jedoch wieder zu - vor allem wegen der Konsequenzen des Brexits.