Jörg Kachelmann warnt vor tödlichen Hitze-Tipps: «Sterbehilfe»

Andrea Schüpbach
Andrea Schüpbach

Bern,

Der bekannte Schweizer Meteorologe Jörg Kachelmann regt sich wegen unnützen Hitze-Tipps auf. Einige davon seien viel mehr «Sterbehilfe» für ältere Menschen.

Jörg Kachelmann
Jörg Kachelmann warnt davor, die Fenster wegen Hitze zu schliessen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Jörg Kachelmann kritisiert weit verbreitete Hitze-Tipps.
  • Fenster unbedingt zu schliessen, sei falsch. Genauso feuchte Handtücher aufzuhängen.
  • Bei alten Leuten in kleinen Wohnungen gleiche das gar «Sterbehilfe».

«Das ist das, was die Leute umbringt.» Jörg Kachelmann (66) ist sauer. Der bekannte Schweizer Meteorologe räumt mit weit verbreiteten Hitze-Tipps auf.

Die Fenster bei Sommer-Temperaturen um jeden Preis schliessen? Das sei Unsinn, sagt er in einem Interview mit der «Bild».

Was machst du, wenn es draussen 30 Grad und mehr hat?

«Ich frage mich immer, wann das Wissen verloren gegangen ist, das wir Boomer noch hatten. Wir haben noch erlebt, dass Züge nicht klimatisiert waren.» Sämtliche Fenster seien in einem heissen Sommer jeweils offen gestanden.

«Und es gab niemanden, der gesagt hat: Die Fenster müssen geschlossen bleiben. Dieses Herrschaftswissen ist leider verloren gegangen», erinnert sich der Wetterfrosch.

jörg kachelmann
Wenn es draussen heiss ist, sollte trotzdem gelüftet werden, sagt Jörg Kachelmann. - keystone

Vor allem ältere Menschen in kleineren Wohnungen seien gefährdet. Sie würden darin duschen, baden, atmen und «für Karl-Heinz zu Mittag kochen. Da wird viel Wasserdampf produziert.»

Kachelmann knallhart: «Alles verrammeln, das ist passive Sterbehilfe.»

Dass sogar das Umweltbundesamt in Deutschland zu geschlossenen Fenstern rät, regt ihn auf. «Das sind alles Menschen, die offenbar sehr privilegiert sind und in sehr grossen Räumen leben.»

Feuchte Handtücher aufhängen? «Das ist aktive Sterbehilfe!»

Noch schlimmer sei der Hitze-Tipp, feuchte Handtücher aufzuhängen.

«Das ist aktive Sterbehilfe! Beides führt jedenfalls dazu, dass viele Menschen sterben. Und das ist etwas, womit ich mich schwer abfinden kann. Da wird im Ergebnis menschenverachtender Schwachsinn verbreitet – und zwar von Medien und Behörden.»

Ob mit Wind oder Ventilator: «Wichtig ist Durchzug, damit all das Geschwitzte rausgeht. Feuerwehrmenschen, die diese toten Herrschaften dann zusammensammeln müssen, berichten von komplett nassen Wänden.»

Das könne kein Körper schaffen. «Menschen überleben wunderbar trockene 40 Grad in der Wüste. Aber nicht 28 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit und völliger Windstille.»

Während Kachelmann gegen die Behörden schiesst, gibt es aber auch kritische Stimmen zu seinem Interview.

Jörg Kachelmann erntet Kritik: «Er kennt sich offensichtlich nicht aus»

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter sagt im österreichischen Fernsehen bei «Puls 24»: «Es gibt Leute, die kennen sich aus mit Innenraumklimatologie. Und er kennt sich offensichtlich nicht aus.»

Hitze von draussen sei viel gesundheitsschädlicher als abgestandene Raumluft. Er rät, nicht länger als drei Minuten zu lüften. Alles weitere «lädt die Hitze ein, zu mir zu kommen».

Acht grosse Hitze-Mythen im Nau.ch-Check

Hitze-Mythen gibt es massenweise. Von kaltem Duschen bis zu heissem Tee – was nützt wirklich?

Nau.ch machte kürzlich den grossen Check, hier gibt es den Bericht zum Nachlesen.

Kommentare

User #3516 (nicht angemeldet)

Die Schrottkommentare sind so gefährlich, wie die Hitze.

User #4732 (nicht angemeldet)

Geht mittags zwei Stunden joggen, legt euch dann für weitere drei Stunden in die pralle Sonne und trinkt ums himmels Willen ja nichts!, das würde euch umbringen! Anschliessen ein Sprung ins eiskalte Nass zur Erfrischung und ihr werdet keine weiteren Sorgen mehr haben.

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