Sommer-Mythen im Test: Kühlt heisser Tee besser als Eistee?
Wenn die erste Hitzewelle über das Land rollt, sind die gut gemeinten Ratschläge nicht weit. Doch welche sind hieb-und stichfest? Nau.ch macht den Faktencheck.

Das Wichtigste in Kürze
- Kaum klettert das Thermometer über die 30, schiessen auch die Ratschläge ins Kraut.
- Heisser Tee, eiskalte Duschen oder doch Chili – was hilft wirklich gegen die Hitze?
- Nau.ch hat acht Sommer-Mythen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.
Schon unsere Grossmütter glaubten zu wissen: Bei grosser Hitze hilft heisser Tee. Oder war es doch die eiskalte Dusche? Oder gar scharfes Essen?
Heute wie damals liefert jede Hitzewelle nicht nur Schweiss, sondern auch eine Flut gut gemeinter Ratschläge. Doch welche sind wissenschaftlich wasserdicht – und welche bloss ein laues Sommermärchen?
Wir haben acht gängige Hitze-Mythen geprüft. Mit kühlem Kopf und der Unterstützung von Medizinern, Ernährungswissenschaftlerinnen und Lebensrettern.
So viel vorweg: Manches stimmt, manches stimmt unter bestimmten Bedingungen – und manches ist einfach nur Quatsch mit Eiswürfeln.
1. «Heisser Tee kühlt besser als Eistee»
Ja – aber nur, wenn alles andere auch stimmt.
«Heissgetränke können tatsächlich die Schweissproduktion anregen. Kann der Schweiss gut verdunsten, etwa bei trockener Hitze und luftiger Kleidung, entsteht ein Kühleffekt.» Das erklärt Ernährungswissenschaftlerin Christine Brombach.
Studien zeigen, dass dieser Effekt unter bestimmten Bedingungen den Wärmeeintrag durch das heisse Getränk überwiegen kann.

Aber: «In feuchtwarmer Umgebung oder bei ungünstiger Kleidung verdunstet der Schweiss schlechter, dann bringt der heisse Tee keinen Vorteil.»
Fazit: Unter optimalen Bedingungen kann heisser Tee helfen, den Körper zu kühlen. In der Praxis bleibt der Eistee aber meist die erfrischendere Wahl.
Wichtig ist in jedem Fall: Bei Hitze genug trinken!
2. «Scharfes Essen hilft beim Abkühlen»
Auch diese Sommer-Weisheit ist Brombach zufolge nur «teilweise richtig».
Scharfes Essen, insbesondere mit Chili, regt durch den Stoff Capsaicin die Schweissproduktion an, was zu Verdunstungskälte führen kann.

In heissen Regionen mit trockener Luft funktioniert dieser Mechanismus gut, sagt Brombach. «Allerdings bedeutet mehr Schwitzen auch mehr Flüssigkeitsverlust – das ist nur sinnvoll, wenn man ausreichend trinkt.»
Fazit: Scharf geht klar – aber nur bei gut gefülltem Wasserglas und geringer Luftfeuchte. Ansonsten verfehlt die scharfe Schote den gewünschten Nebeneffekt.
3. «Bei Hitze sollte man keinen Alkohol trinken»
«Richtig», sagt Brombach ohne zu zögern.
Denn: «Alkohol wirkt harntreibend und fördert die Flüssigkeitsausscheidung. Das kann bei Hitze zu zusätzlichem Flüssigkeitsverlust führen.»

Ein weiterer Effekt, der gerne unterschätzt wird: Alkohol beeinträchtigt die Thermoregulation. «Die Blutgefässe erweitern sich, was zunächst kühlend wirken kann, aber den Kreislauf belastet. Auch das Durstgefühl wird unterdrückt», erklärt Brombach.
Ein kühles Helles abends im Biergarten muss sich zwar niemand verkneifen. Aber: «Besonders bei hohen Temperaturen sollte Alkohol möglichst gemieden oder nur in kleinen Mengen und mit ausreichend Wasser konsumiert werden.»
4. «Ventilatoren machen alles schlimmer – sie wirbeln nur warme Luft herum»
Ein Mythos, der sich hartnäckig hält – vielleicht weil Ventilatoren nun mal keine «echte» Kälte produzieren.
Aber sie können sehr wohl helfen, sagt Notfallmediziner Beat Lehmann: «Ein Ventilator senkt zwar nicht die Raumtemperatur, aber er beschleunigt die Verdunstung von Schweiss auf der Haut. Das hat einen spürbaren Kühlungseffekt auf den Körper.»
Es ist wie draussen im Sommerwind – auch wenn der heiss ist, fühlt er sich besser an als stehende Luft.

Lediglich bei extremer Hitze (> 35 °C Raumtemperatur) könne ein Ventilator unter bestimmten Umständen kontraproduktiv werden, erklärt Baumann: «Weil der Körper durch den Luftstrom noch mehr Wärme aufnimmt – insbesondere bei älteren oder gesundheitlich geschwächten Menschen.»
Tipp vom Experten: Um Verspannungen zu vermeiden, sollte der Ventilator nicht direkt auf Gesicht oder Nacken zielen. Und: «Leicht feuchte Haut verstärkt den Kühlungseffekt – etwa durch leichtes Abreiben mit Wasser.»
5. «Kalte Duschen erfrischen – am besten eiskalt!»
Dem ersten Teil stimmt Lehmann zu: «Kalte Duschen wirken kurzfristig erfrischend, weil sie die Durchblutung anregen, die Hauttemperatur senken und ein belebendes Gefühl erzeugen.»
Eine «eiskalte» Dusche hingegen sei nicht für jeden sinnvoll oder angenehm. Der Experte empfiehlt daher:
«Lauwarm bis kühl duschen (z. B. 20–25 °C) statt eiskalt. Und nach dem Duschen nicht gleich abtrocknen – das auf dem Körper verdunstende Wasser kühlt zusätzlich.»

Noch ein Tipp aus der Kneipp-Gesundheitslehre: Arme oder Waden einzeln kalt abbrausen. So bleibt der Kreislauf stabil – und der Frischekick trotzdem erhalten.
6. «Je höher der Lichtschutzfaktor, desto weniger braun wird man»
Die (vermeintlich) gute Nachricht für alle Sonnenanbeter: Auch wer zur Sonnencrème mit hohem Lichtschutzfaktor (LSF 50+) greift, kehrt nicht blass aus den Ferien zurück. Die Bräunung wird lediglich stärker hinausgezögert als bei tieferen LSF, erklärt Dermatologe Christian Surber.
Doch der schöne Teint hat seine Tücken, warnt der Hautspezialist: «Die ‹Bräune› der Haut ist eine Folge intensiver UV-Einstrahlung und stellt bereits ein erstes Anzeichen einer Hautschädigung dar.»
Die oft beschworene «gesunde Bräune»? Ein Mythos für sich!

Fazit: Sonnenschutz mit hohem LSF macht nicht weniger braun – nur langsamer und sicherer. Surber rät daher, bei Outdoor-Sport, Wandern oder Gartenarbeit konsequent LSF 50 oder höher aufzutragen.
Und: «Häufiges Nachcremen nach dem Schwitzen, Baden oder Abtrocknen ist dringend erforderlich.»
7. «Im und auf dem Wasser bekommt man schneller einen Sonnenbrand»
Tatsächlich kann man auch im bzw. unter Wasser einen Sonnenbrand bekommen: Einen Meter unter der Oberfläche erreichen noch etwa 50 Prozent der kurzwelligen UVB-Strahlung, die typischerweise Sonnenbrand verursacht, die Haut.

Wer sich auf dem Wasser befindet, sollte sogar doppelt aufpassen. Dann nämlich ist man sowohl direkter als auch indirekter UV-Strahlung (durch Streuung und Reflexion) ausgesetzt. «Dadurch steigt das Risiko eines Sonnenbrands deutlich», sagt Surber.
Gerade bei längeren Ausflügen auf dem Surfbrett oder Segelboot reicht Sonnencreme nicht aus. «Unbedingt auf geeignete Schutzkleidung achten, wie etwa Neoprenanzüge oder UV-dichte Sportbekleidung», rät Surber.

Und auch wer «nur» mit dem Pedalo übers Wasser schippert, sollte laut dem Dermatologen nicht leichtsinnig werden:
«Nicht von Kleidung bedeckte Hautpartien sollten mit einem Sonnenschutzmittel mit Lichtschutzfaktor 50+ geschützt werden. Ein Nachcremen alle zwei Stunden wird dringend empfohlen.»
8. «Mit vollem Bauch sollte man nicht schwimmen gehen»
Ein Klassiker unter den Sommerregeln – und einer, den viele heute für überholt halten.
Doch ganz so falsch ist er nicht, sagt Reto Abächerli von der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG):
«Wenn ‹voller Bauch› bedeutet, dass man nach einer üppigen Mahlzeit ein Völlegefühl hat, dann ist dies eventuell wirklich nicht der beste Zeitpunkt, um auf den See hinaus oder im Fluss schwimmen zu gehen.»

Der Grund ist simpel: Der Körper braucht nach dem Essen Energie für die Verdauung – die fehlt dann bei körperlicher Anstrengung. «Der Verdauungsprozess tritt dann quasi in Konkurrenz zur körperlichen Aktivität», erklärt Abächerli.
Und wer sich mitten im See plötzlich schlapp fühlt, kann nicht einfach pausieren oder sich hinlegen.

Fazit: Kein Grund zur Panik nach einem Sandwich – aber: «Ein bis zwei Stunden vor längerem Schwimmen im See oder Fluss üppige Mahlzeiten idealerweise meiden.»