Die schlechten Europawahlergebnisse und das Anti-CDU-Video von Rezo haben in der Groko in Berlin ein politisches Erdbeben ausgelöst. Auf das Gesprächsangebot der Politik hat der Youtuber jetzt reagiert: Mit der SPD will er reden, mit der CDU nur unter Bedingungen.
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Der Star Youtuber Rezo meldet sich in einem dritten Video zum Schlagwort «Zerstörung» zum Wort. - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Youtuber Rezo hat sich zu einem Gespräch mit der SPD bereit erklärt und der CDU Bedingungen für einen Meinungsaustausch genannt.

Nach seiner massiven Kritik an der Klimapolitik beider Parteien in einem millionenfach geklickten Video lud der Influencer am Mittwoch mehrere längere Einträge bei Twitter hoch, in denen er Stellung nimmt zu den Einladungen durch Politiker, zur Debatte, die sein Video ausgelöst hat und zu den Ergebnissen bei der Europawahl, die möglicherweise auch von dem Video beeinflusst wurden. Die Parteien der grossen Koalition debattieren unterdessen, wie es parteiintern und in der Regierung weitergehen soll.

Er sei nicht der Grund, weshalb die Regierungsparteien bei den unter-30-Jährigen so wenige Stimmen bekommen hätten, schreibt der 26-Jährige Rezo. «Die Ursache ist der Umgang mit diesen Teilen der Bevölkerung und die vielen Politiker, die in Netzthemen und Klima einfach keinen guten Job gemacht haben.» Die Union hatte bei der Wahl 6,5 Prozentpunkte eingebüsst und war auf 28,9 Prozent gerutscht. Die SPD hatte mit 15,8 Prozent historisch schlecht abgeschnitten.

Die Ergebnisse haben in Union und SPD heftige Debatten über den eigenen Kurs und auch über die Zukunft der grossen Koalition ausgelöst. In der SPD sah sich Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles gezwungen, eine vorgezogene Vertrauensfrage zu stellen. Sie stellt sich nächste Woche als Fraktionschefin zur Wahl. Das war eigentlich erst für den September geplant.

Bis dato hat Nahles keinen Gegenkandidaten. In der Fraktion wird allerdings erwartet, dass Nahles noch Konkurrenz bekommt. Der Bundestagsabgeordnete Florian Post forderte sie in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland offen zum Rücktritt auf. Juso-Chef Kevin Kühnert mahnte dagegen eine inhaltliche Debatte an. Er sagte bei Phoenix: «Keine Partei sollte eigentlich besser als die SPD wissen, dass mit irgendwelchen schnell mal dahin gehauchten Personalwechseln sich rein gar nichts zum Besseren wendet.»

Im Falle einer Niederlage bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands wird Amtsinhaberin Andrea Nahles wahrscheinlich auch als SPD-Vorsitzende zurücktreten. Das meldet die «Bild»-Zeitung (Freitag) unter Berufung auf Nahles-Vertraute. Beide Ämter seien eindeutig miteinander verbunden. Als Parteichefin habe sie - ohne den Vorsitz in der Fraktion - «keinen Machthebel, kann nichts bewirken. Dass es nicht funktioniert, sieht man am Beispiel von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer».

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte dem «Focus», das Ergebnis der Europawahl sei ein Alarmruf für die grosse Koalition. «Das Ansehen der Bundesregierung fällt leider Woche für Woche.» Er forderte von der SPD eine Entscheidung über den Verbleib in der Koalition. Es sei wie in einer Ehe: «Wenn jemand ständig damit droht, die Partnerschaft zu verlassen, muss er sich irgendwann entscheiden. Und die SPD muss jetzt ehrlich sagen, wie es weitergeht.» Die CSU selbst wolle an der grossen Koalition festhalten, sagte Söder.

Die Regierung ist öffentlich vor allem beim Thema Klimaschutz unter Druck. Youtuber Rezo hatte der Debatte darüber einen grossen Schub gegeben. In seinem inzwischen mehr als 13 Millionen Mal geklickten Clip hatte er die Klimapolitik der beiden grossen Parteien scharf angegriffen.

Das von der Regierung eingesetzte Klimakabinett legte zwar am Mittwoch ein Paket mit umfangreichen Massnahmen vor, beschlossen wurde aber noch nichts. Eine Grundsatzentscheidung über Gesetze und Massnahmen solle im September getroffen werden, hiess es. Diese sollen dann bis zum Jahresende im Kabinett verabschiedet werden. Dabei geht es unter anderem um die Frage einer CO2-Steuer oder CO2-Bepreisung.

Juso-Chef Kühnert sagte dem Sender Phoenix, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimaschutzgesetz müsse in diesem Jahr kommen. Wenn nicht, stehe für ihn die grosse Koalition auf dem Spiel. «Für uns ist das Klimaschutzgesetz einer von mehreren Dealbreakern, wenn es darum geht, ob wir weiter koalieren oder nicht.»

Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» mit Blick auf die Erwartungen der jungen Generation, Jugendliche wollten «kein endloses Gerede», sondern «vor allem Taten sehen». Und für diese Zielgruppe ist das Internet, sind Youtuber wie Rezo eine wichtige Quelle zur Information und Meinungsbildung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor sagte der «Passauer Neuen Presse» (Donnerstag), allen Beteiligten sei durchaus klar, «dass es in der Aussenwirkung der letzten Tage und Wochen durchaus noch Luft nach oben» gebe. Zuletzt hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer die Rezo-Debatte neu befeuert, als sie nach der Europawahlpleite Regeln für «Meinungsmache» im Internet in Wahlkampfzeiten ins Gespräch gebracht hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkte ihrer Nachfolgerin an der CDU-Spitze anschliessend nach massiver Kritik den Rücken und bezeichnete einen Medienbericht, wonach sie Zweifel an der Eignung Kramp-Karrenbauers für das Kanzleramt habe, als Unsinn. Einer Forsa-Umfrage zufolge trauen 70 Prozent der Deutschen Kramp-Karrenbauer das Amt der Bundeskanzlerin allerdings nicht zu. Der CDU-Politiker Friedrich Merz, der im Dezember den Kampf um den CDU-Vorsitz knapp gegen Kramp-Karrenbauer verloren hatte, forderte in der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Freitag), die CDU müsse sich inhaltlich und kommunikativ neu aufstellen. Die Partei stehe vor der «Frage, warum ihr nach 14 Jahren mit einer Klimakanzlerin an der Spitze dieses Thema strategisch und kulturell, gerade bei der jungen Generation, vollkommen entglitten ist». Die CDU-Führung berät am Sonntag und Montag in einer Klausur über die jüngsten Wahlergebnisse.

Wann es zu Gesprächen zwischen Youtuber Rezo und Politikern kommt, ist weiter offen. Der Influencer stellte dafür am Mittwoch Twitter die Bedingung, dass die jeweilige Partei einsehe, dass ein «drastischer Kurswechsel» in der Klimapolitik notwendig sei. Bei der SPD sehe er «eine gute Basis» für ein Gespräch, da Vertreter der Partei das mit dem Kurswechsel schon öffentlich klargemacht hätten.

Seine «öffentliche Frage an die CDU» sei nun, ob man in der Partei einen Kurswechsel in der Klimapolitik inzwischen für notwendig halte oder nicht. Nach eigenen Angaben hat Rezo «bereits Kontakt zu Politikern aufgebaut (CDU und SPD), mit denen ich mich persönlich austauschen möchte».

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