Die Kosten für die Erschliessung neuer Grundstücke werden auf die Anlieger umgelegt. Aber das kann oft dauern. Jetzt zieht das Bundesverfassungsgericht eine rote Linie.
Blick auf eine unbefestigte Sandstrasse. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu der Frage geäussert, ob Grundstückseigentümer noch nach vielen Jahren für den Bau einer Strasse zur Kasse gebeten werden dürfen. Foto: Zentralbild/dpa-Zentralbild/dpa
Blick auf eine unbefestigte Sandstrasse. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu der Frage geäussert, ob Grundstückseigentümer noch nach vielen Jahren für den Bau einer Strasse zur Kasse gebeten werden dürfen. Foto: Zentralbild/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Grundstückseigentümer dürfen nach dem Bau einer Strasse oder anderer Anlagen zur Erschliessung nur für begrenzte Zeit an den Kosten beteiligt werden.
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Eine Vorschrift, die das auch noch viele Jahre im Nachhinein ermöglicht, verstosse gegen das Gebot der Belastungsklarheit, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch mit. Im konkreten Fall ging es um eine Regelung in Rheinland-Pfalz, sie muss nun überarbeitet werden. (Az. 1 BvL 1/19)

Die Prüfung der Landesvorschrift hatte das Bundesverwaltungsgericht angestossen. Dort ist der Fall eines Eigentümers anhängig, der sogenannte Erschliessungsbeiträge in Höhe von mehr als 70 000 Euro zahlen soll. Seine Grundstücke in einem Gewerbegebiet hatten schon 1986 eine Strassenanbindung bekommen. Den finalen Bescheid erhielt er allerdings erst 2011. Denn in voller Länge fertiggestellt und offiziell gewidmet wurde die Strasse im Jahr 2007.

Zeitpunkt der Vorteilsnahme

Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz sieht eine vierjährige Verjährungsfrist vor, die erst mit der Widmung der Strasse zu laufen beginnt. Das ist nach der Entscheidung der Verfassungsrichterinnen und -richter nicht zulässig. Massgeblich muss demnach der Zeitpunkt sein, zu dem für den einzelnen Grundstückseigentümer der Vorteil entsteht. Dieser sei für die Betroffenen erkennbar. Es dürfe niemand im Unklaren gelassen werden, ob noch mit Belastungen zu rechnen sei.

In Rheinland-Pfalz muss nun bis Ende Juli 2022 eine Neuregelung gefunden werden. Bis dahin dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die verfassungswidrige Norm nicht mehr anwenden. Von der Änderung profitieren alle Grundstückseigentümer im Land, deren Bescheide über die Erschliessungsbeiträge noch nicht bestandskräftig sind.

Dem Gesetzgeber bleibt weiter Spielraum

Eine konkrete Vorgabe für die zeitliche Höchstgrenze machten die Richterinnen und Richter des Ersten Senats nicht. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Spielraum. Eine Frist von 30 Jahren, wie sie manche Gerichte bisher aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz abgeleitet hatten, ist ihnen aber eindeutig zu lang.

Wie in der Entscheidung ausgeführt wird, haben sich andere Bundesländer überwiegend für Fristlängen von 10 bis 20 Jahren entschieden. Genannt werden Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In anderen Ländern bestehe keine ausdrückliche Regelung.

Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland begrüsste die Entscheidung. «Es kann nicht sein, dass Grundstückseigentümer oder deren Rechtsnachfolger noch Jahrzehnte nach einer Erschliessungsmassnahme der Gemeinde mit zum Teil existenzbedrohend hohen Beitragsforderungen konfrontiert werden», erklärte Präsident Kai Warnecke. Durch die verspätete Erhebung bleibe auch unklar, ob es sich nicht eigentlich um eine Unterhaltsmassnahme gehandelt habe. «Diese dürfte die Kommune gar nicht auf die Eigentümer umlegen.»

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