Die G20-Staaten wollen die weltumspannende mittragen. Die neue Regelung soll in mehreren Bereichen helfen.
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Die Finanzminister der G20-Staaten treffen sich in Venedig zum G20-Gipfel. Mit dabei ist US-Finanzministerin Janet Yellen (Mitte). - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die G20-Staaten unterstützen die geplante globale Steuerreform.
  • Der deutsche Vizekanzler sagt, sie werde «die Welt besser machen».
  • Dennoch hat die Steuerreform einige Schlupflöcher.

Seit Jahren unterbieten sich Staaten weltweit bei den Unternehmenssteuern. Damit soll jetzt Schluss sein: Die G20-Länder stellen sich hinter eine grosse, weltumspannende Steuerreform. Laut dem deutschen Vizekanzler Olaf Scholz wird sie «die Welt besser machen».

Er ist stolz: Die grossen Industrie- und Handelsländer haben sich am Samstag darauf verständig, weltweit Steueroasen auszutrocknen. Von grossen digitalen Unternehmen sollen künftig mehr Steuern verlangt werden. Am Ende habe es Szenenapplaus gegeben, berichtet der SPD-Politiker.

Über Jahre hatte der deutsche Finanzminister international zu den treibenden Kräften für die Reform gehört. Sie soll ein System umkrempeln, das nach rund 100 Jahren nicht mehr zeitgemäss ist.

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Ende Juni trafen sich Aussen- und Entwicklungsminister der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) im süditalienischen Matera. - keystone

Steuer zuletzt immer weiter gesunken

In den vergangenen Jahrzehnten waren die Staaten weltweit gefangen in einem Wettrennen nach unten: Im Kampf um die Ansiedlung grosser Firmen senkten sie ihre Unternehmenssteuern immer weiter. Das habe laut US-Finanzministerin Janet Yellen den Ländern Ressourcen genommen. Vor allem solchen, die sie eigentlich besser in die Bürger und in Infrastruktur gesteckt hätten.

Letztlich zahlten global agierende Konzerne – besonders grosse Digitalunternehmen wie Amazon und Google – oft kaum Steuern. Dies, weil sie Gewinne in Steueroasen verschoben oder mit Tricks Milliarden sparten. Das sei unfair im Vergleich zum kleinen Handwerksbetrieb oder dem Buchladen um die Ecke, heisst es beim deutschen Finanzministerium.

Lösung mit zwei Säulen

Geplant sind nun zwei Neuerungen: Alle international tätigen Unternehmen sollen - egal wo sie ihren Sitz haben – mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Dabei wird keinem Staat ein Steuersatz vorgeschrieben. Aber zahlt ein Unternehmen mit seiner Tochterfirma im Ausland weniger Steuern, kann der Heimatstaat die Differenz einkassieren. Es würde sich also nicht mehr lohnen, Gewinne in Steueroasen zu verlagern.

Beim zweiten Teil der Reform geht es um die Verteilung des Steuerkuchens unter den Ländern. Grosse Unternehmen sollen nicht mehr nur in ihrem Mutterland besteuert werden, sondern auch da, wo sie gute Gewinne machen.

Das betrifft unter anderem die Digitalkonzerne. Diese machen durch Internetverkäufe oder Werbeklicks auch dort hohe Gewinne, wo sie gar keine Niederlassung haben. Nach den bisherigen Regeln müssen sie dort keine Steuern zahlen. Das soll sich ändern – an der genauen Formel für die Verteilung wird aber noch gearbeitet.

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Olaf Scholz im Bundestag. (Archivbild) - AFP/Archiv

Viel Zustimmung

131 der 139 OECD-Staaten haben bereits auf Arbeitsebene zugestimmt, darunter auch bekannte Steueroasen wie die Cayman-Inseln. Die drei EU-Staaten Irland, Estland und Ungarn dagegen verweigern sich bisher – wohl auch, weil niedrige Unternehmenssteuern ihr Geschäftsmodell sind. Irlands Finanzminister Paschal Donohoe fürchtet, sein Land könne ein Fünftel seiner Unternehmenssteuereinnahmen verlieren. In Scholz' Ministerium ist man sich trotzdem sicher, dass man die drei noch «auf Linie bringen» kann.

Nach dem Beschluss der G20-Staaten sollen jetzt Detailfragen geklärt werden. Unter anderem wird noch darum gerungen, wie genau man Unternehmensgewinne definiert.

Einige Länder wie Frankreich hätten ausserdem gern einen höheren Mindeststeuersatz. Scholz will, dass die Reform 2023 in Kraft tritt. Für die neuen Verteil-Regeln soll ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden. Die Mindeststeuer muss in den Staaten einzeln umgesetzt werden.

Digitalsteuern könnten zum Problem werden

Scholz ist sicher, dass nichts mehr schiefgeht. Doch nicht nur die drei EU-Abweichler könnten ein Problem werden, auch eine klare Mehrheit des US-Kongresses ist nicht ausgemacht.

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US-Finanzministerin Janet Yellen warnt vor den möglichen Folgen der Zahlungsunfähigkeit der USA. (Archivbild) - Keystone

Ein grösseres Problem aber könnten nationale Digitalsteuern sein, die es zum Beispiel in Frankreich, Spanien und Italien gibt. Für einen sauberen Deal müssten sie zurückgenommen werden. Yellen hat das – vorsichtig unterstützt von Scholz – in Venedig auch angemahnt.

Wirtschaftskommissar Gentiloni aber will an EU-Plänen für eine Digital-Abgabe festhalten, wie er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte. «Wir werden den Vorschlag dazu in Kürze vorlegen», versprach er und betonte: «Unser Plan richtet sich nicht gegen amerikanische Konzerne.»

Es gibt Schlupflöcher

Ob die Reform den Wettkampf um die Ansiedlung grosser Unternehmen wirklich ausbremsen kann, ist ungewiss. Denn niemand verbietet es den Staaten, Firmen mit anderen Erleichterungen zu locken. Denkbar wären zum Beispiel geringere Sozialabgaben, niedrigere Grundsteuern oder hohe Forschungszulagen und Ansiedlungszuschüsse.

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