Die französische Justiz hat die Ermittlungen wegen «schwerer sexueller Aggression» gegen den Kardinal Jean-Pierre Ricard eingestellt, da die von ihm gestandene Tat verjährt ist.
Kardinal Jean-Pierre Ricard
Kardinal Jean-Pierre Ricard - AFP/Archiv

«Das Verfahren wurde wegen Verjährung eingestellt», sagte die Staatsanwältin Dominique Laurens am Samstag. Ricard hatte sich im November dazu bekannt, Ende der 80er Jahre ein Mädchen missbraucht zu haben. Die französische Justiz nahm Vorermittlungen auf, auch der Vatikan leitete eine Untersuchung ein.

Der heute 78 Jahre alte Kardinal räumte nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein, vor 35 Jahren ein Mädchen, das «in seiner Erinnerung 13 Jahre alt war, «geküsst, umarmt und ihr über die Kleidung gestreichelt zu haben». Er habe das Opfer inzwischen um Verzeihung gebeten.

Nach Angaben des Opfers, das schliesslich Anzeige erstattete, sollen sich die Vorfälle über drei Jahre hingezogen haben. Die Diözese von Marseille, in der Ricard zum Tatzeitpunkt tätig war, rief mögliche weitere Opfer oder Zeugen von Missbrauchsfällen auf, sich zu melden.

Ricard war viele Jahre Erzbischof von Bordeaux und von 2001 bis 2007 zugleich Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz. 2006 ernannte ihn Papst Benedikt zum Kardinal. 2019 reichte Ricard aus Altersgründen seinen Rücktritt ein und zog sich in ein Pfarrhaus in Südfrankreich zurück.

Der Fall hatte neue Schockwellen in der katholischen Kirche in Frankreich ausgelöst. Nach Schätzungen einer Untersuchungskommission wurden in Frankreich seit 1950 etwa 330.000 Minderjährige von Priestern, Ordensleuten oder Mitarbeitern katholischer Einrichtungen sexuell missbraucht.

Die Vereinigung Be Brave, die sich für Opfer von Kindesmissbrauch einsetzt, kritisierte die Einstellung der Ermittlungen gegen Ricard scharf und sprach von einer «Scheinjustiz». Seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts über sexuellen Missbrauch durch Geistliche habe sich «nichts geändert». Be Brave forderte «umfassende gerichtliche und parlamentarische Untersuchungen» zu den von Kirchenvertretern begangenen Taten und eine Abschaffung der Verjährungsfrist für Kindesmissbrauch. Der Senator Xavier Iacovelli kritisierte ebenfalls die geltende Verjährungsfrist.

In Frankreich hatte zuletzt hatte der Fall des ehemaligen Bischofs von Créteil, Michel Santier, für Empörung gesorgt. Mitte Oktober war bekannt geworden, dass der Vatikan ihn wegen Voyeurismus stillschweigend sanktioniert hatte. Öffentlich waren für seinen Rücktritt Gesundheitsgründe genannt worden.

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