Forscher finden möglichen Corona-Superspreader bei Tönnies
Was den massenhaften Fund von Corona-Infizierten bei Tönnies ausgelöst hat, war bisher unklar. Forscher haben untersucht und mögliche Antworten gefunden.

Das Wichtigste in Kürze
- Mehr als 1400 Angestellte des Schlachthauses Tönnies infizierten sich mit dem Coronavirus.
- Forscher haben nun untersucht, wie sich das Virus in diesem Ausmass verbreiten konnte.
- Tiefe Temperaturen und wenig Frischluft sind Gründe für die optimale Ausbreitung.
Über 1400 Mitarbeiter des Schlachthauses Tönnies infizierten sich mit dem Coronavirus. Nun wird klar: Das Virus wurde auf mehrere Personen im Umkreis von mehr als acht Metern übertragen.
Dies Ergibt die Forschung von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), der Uniklinik Hamburg-Eppendorf und des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie. Dazu wurden die Standorte der Arbeiter bei der Arbeit und die Infektionsketten anhand von Virussequenzen analysiert. Das teilt das HZI mit.
In der Zerlegung wird die Luft durch Umwälzung auf 10 Grad gekühlt. Der Bonner Hygiene-Professor Martin Exner hatte die Luftumwälzung als einen möglichen Faktor für die Virus-Ausbreitung benannt. Dies Nachdem er die Arbeitsbedingungen vor Ort im Werk analysiert hatte. Tönnies hat daraufhin neue Filter-Anlagen installiert, um das Verteilen des Virus über die Luft zu unterbinden.
Wohnungssituation spielte keine Rolle

Exner hatte Mitte Juni zudem vermutet, dass auch die Wohnsituation der Arbeiter eine Rolle spielen könne. Dass dem nicht so ist, dies betonen nun Forscher aus Hamburg und Braunschweig.
«Unsere Studie beleuchtet SARS-CoV-2-Infektionen in einem Arbeitsbereich, in dem verschiedene Faktoren aufeinandertreffen. Eine Übertragung über relativ weite Distanzen ist somit möglich. Es stellt sich nun die wichtige Frage, unter welchen Bedingungen Übertragungsereignisse über grössere Entfernungen in anderen Lebensbereichen möglich sind». Dies sagte Melanie Brinkmann, Professorin und Forschungsleiterin am HZI in Braunschweig.
Adam Grundhoff, Mitautor der Studie, sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf das Ergebnis: «Damit ist ein Superspreader-Vorgang für den Ausbruch bei Tönnies gefunden.» Auch sei nachgewiesen, dass die bei Tönnies gefundenen Virussequenzen zuvor in einem Werk einer Westfleisch-Tochter in Dissen eine Rolle spielten. Das sagte der Professor. Die Studienergebnisse wurden noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht, sondern vorab auf eine sogenannte Preprint-Plattform gestellt.
Schlachthausbedingung – optimale Virenverbreitung
«Unsere Ergebnisse weisen auf folgendes hin: Dass die Bedingungen des Zerlegebetriebs die Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln über grössere Entfernungen hinweg förderten. Unter den Bedingungen versteht man die niedrige Temperatur, eine geringe Frischluftzufuhr und eine konstante Luftumwälzung durch die Klimaanlage. Dies zusammen mit anstrengender körperlicher Arbeit.», sagte Grundhoff.

Tönnies-Sprecher André Vielstädte berichtete, dass sich die Zahl der gefundenen Infektionen von der Rinder- über die Sauenzerteilung ausgebreitet habe. Später erreichte sie auch die Schweinezerteilung. Das hätte die eigene Reihentestung gezeigt.
Zwar würden die Arbeiter nicht in den unterschiedlichen Bereichen durchmischt eingesetzt. «Aber die Bereiche liegen in der Fabrik nah beieinander», erklärte Vielstädte. Die Arbeiter würden sich in den Gängen auf dem Weg zur Arbeit und in den Sozialräumen begegnen.