Experte erwartet weiteren Bauzinsanstieg
Das Wichtigste in Kürze
- Zum Spätsommer will die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinswende einleiten, um die derzeit hohe Inflation im Euroraum in den Griff zu bekommen.
Einige Menschen befürchten nun, dass die ohnehin schon gestiegenen Bauzinsen damit noch weiter in die Höhe klettern. Doch was ist dran an der Befürchtung? Kann die Anhebung des Leitzinses wirklich den Immobilienzins beeinflussen? Max Herbst von der FMH-Finanzberatung aus Frankfurt klärt auf.
Ist an der Sorge etwas dran, dass durch die geplante Leitzinsanhebung auch Bauzinsen weiter wachsen?
Max Herbst: Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen EZB-Leitzins und Bauzins. Der Bauzins ist abhängig vom Preis, den die Anleger für Pfandbriefe bereit sind zu akzeptieren. Und die Pfandbriefrenditen orientieren sich an der zehnjährigen Bundesanleihe. Wenn die EZB den Leitzins anhebt, dann fordert der Investor nicht automatisch höhere Anleihe- oder Pfandbriefrenditen. Verteuern werden sich aber kurzfristige Kredite, vor allem ungesicherte Darlehen.
Auch der Immobilienpreis wird mehr über die Nachfrage als über Leitzinsveränderungen gesteuert. Grundstücke verteuern sich, weil sie immer weniger werden, nicht wegen der Zinsen.
Auch wenn Sie keinen direkten Zusammenhang sehen: Müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen weiteren Anstieg des Bauzinses einstellen?
Herbst: Ja. Ungeachtet der Leitzinserhöhung rechne ich mit einem weiteren Bauzinsanstieg von 0,2 Prozentpunkten bis auf drei Prozent bereits im Juli, noch vor der EZB-Leitzinserhöhung. Und im Laufe des Jahres sind 3,5 oder sogar 4 Prozent keine utopische Vorstellung, weil die Inflation sich nicht abschwächen wird.
Was würden Sie Menschen raten, die aktuell planen, eine Immobilie zu kaufen? Schnell noch die etwas günstigeren Zinsen sichern oder lieber abwarten, wie der Markt sich entwickelt?
Herbst: Auf die Schnelle einen Kaufvertrag oder Bauantrag zu unterschreiben, weil die Zinsen noch weiter ansteigen könnten, ist bestimmt die falsche Entscheidung. Wir haben jetzt bereits eine Zinserhöhung im Durchschnitt von 1,9 Prozentpunkten innerhalb von fünf Monaten gesehen. So sind auch weitere 1,2 Prozentpunkte Zinserhöhung vorstellbar und jetzt auch in der eigenen Kalkulation einpreisbar.
Die höheren Zinsen müssen eben aktuell mit einer etwas reduzierten Tilgungshöhe kompensiert werden. Wenn in den letzten Jahren mit drei oder vier Prozent Tilgung finanziert wurde, sind es jetzt dann eben nur zwei Prozent Tilgung. Verlängert zwar die Finanzierungszeit etwas, macht aber eine Finanzierung durchführbar. Und wenn wir weiter eine hohe Inflation haben, kann später bei steigendem Einkommen auch wieder mehr getilgt werden. Dieser Zinsanstieg ist ärgerlich für alle, die auf der Suche nach einer Immobilie sind. Heisst aber nicht, dass damit alle Träume zu Ende sein müssen.