Europol: Kriminelle rekrutieren immer mehr Kinder
Europol warnt, dass Kriminelle immer mehr Kinder für schwere Straftaten rekrutierten. Es sei eine ganze Industrie geworden.

Das Wichtigste in Kürze
- Kriminelle rekrutieren immer mehr Minderjährige für schwere Straftaten.
- Die Verbrechen, teils auch Mord, werden «gamifiziert» und als «Missionen» bezeichnet.
- Ein Kriminologe spricht von einer «Uberifizierung der Gewalt».
Die organisierte Kriminalität hat neue Rekrutierungsziele und -methoden gefunden: Catherine De Bolle, Direktorin von Europol, warnt gegenüber der «Welt»: «Kinder werden nicht mehr nur sexuell ausgebeutet. Sie werden auch rekrutiert, um Gewalttaten und andere Straftaten zu begehen.»
Die «neue Generation organisierter Krimineller» sei jünger, digitaler und skrupelloser, erklärt sie. «Die Rekrutierung ist eine Industrie geworden, ein einziges Smartphone kann Tausende Jugendliche gleichzeitig erreichen.» Nachwuchskriminellen würden über geschlossene Chatforen oder Gaming-Plattformen angesprochen.
Laut Europol sind 105 Minderjährige bekannt, die Gewalttaten im Auftrag krimineller Netzwerke verübt haben. Seit April lassen sich zehn Auftragsmorde auf rekrutierte Jugendliche zurückführen. Ansonsten würden sie oft für Einschüchterung, Entführung oder gar Folter angeworben.
Das Phänomen ist vor allem aus Nordeuropa bekannt, doch es breitet sich aus, auch Deutschland ist alarmiert. Laut dem deutschen Bundeskriminalamt würden Kinder oft über verschlüsselte Messenger-Apps oder Spielplattformen angesprochen. Die Kriminellen suchten spezifisch nach Jugendlichen ohne Vorstrafen, aber mit psychischen Problemen oder schwierigen Familienverhältnissen.
Kriminologe: «Uberisierung der Gewalt»
Die Rekrutierer würden die Kinder emotional ansprechen und die Straftaten «gamifizieren»: So würden sie als «Missionen» oder «Challenges» – Begriffe aus der Videospiel-Welt – bezeichnet.
Kriminologe Robin Hofmann von der Universität Maastricht spricht von einer «deutlichen Beschleunigung» der Online-Rekrutierung Minderjähriger. Er bezeichnet es in Anlehnung an den Fahrdienst-Service als «Uberisierung der Gewalt»: Die Jugendlichen würden als kurzfristig verfügbare, billige und austauschbare Dienstleister betrachtet.
Jugendliche werden in sektenähnlichen Communities manipuliert
Ein weiteres Phänomen in Bezug auf Jugendliche und organisiert Kriminalität, das Europol-Chefin De Bolle Sorgen bereitet, sind die «Com Communities. Dabei handelt es sich um sektenähnliche cyberkriminelle Netzwerke, in denen Minderjährige zu Straftaten oder Selbstverletzung gedrängt werden.
De Bolle erklärt, dass Kriminelle in Gaming-Chats oder sozialen Netzwerken nach Jugendlichen mit psychischen Problemen oder Faszination für Gewalt suchten. Diese würden in geschlossene Chats eingeladen, wo Kriminelle Vertrauen aufbauen – und schliesslich Kontrolle ausüben.
So können sie die Opfer dazu manipulieren, ihre Befehle auszuführen. Es gebe Fälle, wo sich Kinder selbst oder ihre Angehörigen verletzen sollten, so De Bolle.
Die Täter, die oft von Sadismus getrieben würden, seien häufig im Ausland in Asien, erklärt die Europol-Chefin. Die europäische Polizeibehörde betrachte die Communities als Angriffe auf die Grundlagen der Gesellschaft. «Ihre Wirkung ähnelt der von Terrororganisationen.»



















