Ein Salzburger «Reigen» für das 21. Jahrhundert: Sex ist kompliziert
Seit der Uraufführung von Arthur Schnitzlers «Reigen» vor 100 Jahren ist die Sexualität den neuen Autoren zufolge komplizierter und politischer geworden.

Das Wichtigste in Kürze
- Seit der Uraufführung von Arthur Schnitzlers «Reigen» hat sich viel verändert.
- Den Autoren zufolge sei auch die Sexualität komplizierter und politischer geworden.
Sexualität ist seit der Uraufführung von Arthur Schnitzlers «Reigen» vor rund hundert Jahren komplizierter und politischer geworden. Das ist eine der Botschaften der zehn bekannten Autorinnen und Autoren der Salzburger Festspiele. Sie holen viele Szenen des Klassikers vom Wien des frühen 20. Jahrhunderts in die globale Gegenwart.
Während Schnitzlers Figuren fast alle zur Sache kamen, wird in der neuen Version vor allem über Beziehungen geredet: Per Videoschalte, in der Künstlergarderobe oder auch vor Gericht.
Neuer «Reigen» löst Strenge auf
An dem Stück haben unter anderem Sofi Oksanen, Leïla Slimani und Sharon Dodua Otoo mitgeschrieben. Bei der Premiere am Donnerstag wurde trotz der hohen Qualität des Schauspielensembles nur mit höflichem Applaus. Einige Gäste – fast durchwegs ältere Männer – verliessen die Inszenierung von Yana Ross vorzeitig.
Die Stärke des Originals lag in seiner Mechanik, die wie ein Uhrwerk ineinandergreift: Entlang der gesellschaftlichen Stufenleiter treibt es die Dirne mit dem Soldaten. Der Soldat schläft mit dem Stubenmädchen, und so weiter. Der neue «Reigen» löst diese Strenge auf – wohl auch, weil Sexualität heute ein breiter gefächertes Thema ist.

Ross lässt das Ensemble des Schauspielhauses Zürich in einem eleganten Restaurant mit dickem Teppichboden und Spiegeldecke agieren. Die Darstellerinnen und Darsteller sehen dem Festspielpublikum verdächtig ähnlich: vom glitzernden Haarschmuck einer Dame bis zu Herren mit Kaschmirpullovern über den Schultern und roten Socken in Slippern.
Doch der Schein trügt: Gleich zu Beginn entlädt die österreichische Autorin Lydia Haider einen barocken Schwall von Fäkalsprache. Überhaupt liegt der Fokus des Stücks weniger auf Sexualität an sich. Vielmehr stehen verbale Gewalt, Entfremdung, ermüdende Beziehungen und wirtschaftliche Abhängigkeit zum Thema.