In Russland tummeln sich die Privatarmeen. Eine hat eine Verbindung in die Schweiz, Gazprom betreibt gleich vier von ihnen. Ein Blick in den Söldnerdschungel.
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Der wohl bekannteste Söldnertrupp der Welt: die Gruppe Wagner. Das Unternehmen ist aber bei weitem nicht das einzige private Militärunternehmen in Russland. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Russland gibt es viele private Militärunternehmen (PMCs).
  • Gesponsort werden sie von Oligarchen und Rohstoffkonzernen wie Gazprom.
  • Was sind das für Firmen? Ein Überblick.

Russland, das Land der Söldner und Militärunternehmer. Besonders präsent tritt die Gruppe Wagner auf, deren Chef jüngst den Aufstand probte. Dabei ist Wagner noch nicht einmal das einzige Militärunternehmen von Jewgeni Prigoschin.

Abseits von Prigoschins Unternehmensgeflecht tummeln sich zig weitere private Militärunternehmen, kurz PMCs – einige davon mit Verbindungen in die Schweiz. Und für gleich vier macht einer der ehemals wichtigsten Gaslieferanten Europas, Gazprom, Geld locker. Was sind das für Firmen? Ein Überblick.

Gazprom an der Front

Gazprom unterhält gleich drei derartige Unternehmen. Einem Bericht der «Financial Times» zufolge versucht der Gasriese insbesondere eigene Sicherheitsleute für die Front anzuwerben.

Die Gazprom-PMCs, die offenbar in den Ukraine-Krieg verwickelt sind, heissen Fakel (Fackel) und Potok (Strömung). Offiziell bestreitet Gazprom Verbindungen zu den Unternehmen. Berichte und Videos von Kämpfern, Angehörigen und Arbeitskollegen, die der «Financial Times» vorliegen, sprechen aber eine andere Sprache. Auch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin erwähnte Fakel und Potok in einem Video aus dem April in Zusammenhang mit Gazprom.

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Prigoschin regt sich im April in einem Video über andere PMCs in der Gegend um Bachmut auf – und macht dabei öffentlich, dass Gazprom Privatarmeen betreibt. - Telegram @Позывной Брюс

Prigoschin beschwerte sich in dem Video über die Situation in Bachmut und die angebliche Unfähigkeit anderer Söldnertruppen. Medienberichte und Berichte von Angehörigen und Kämpfern bestätigen den Einsatz der Gazprom-Truppen bei der Belagerung von Bachmut.

Und da wäre noch Gazprom Neft Okhrana (Gazprom Neft Securtity), die jüngste der drei Firmen. Gegründet wurde das «Sicherheitsunternehmen» Anfang des Jahres mit Erlaubnis des russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin. Der Regierung zufolge soll sie lediglich Gazprom-Einrichtungen schützen, der ukrainische Militärgeheimdienst bezeichnet sie aber als «private Militärfirma». Neben Gazprom Neft ist eine Sicherheitsfirma, die laut «BBC» von einem ehemaligen FSB-Beamten geleitet wird, an Gazprom Neft Okhrana beteiligt.

Kriegsverbrechen und Schweiz-Connection

Wie Medien und Militärblogger berichten, war auch das Militärunternehmen Redut an der Belagerung von Bachmut und anderswo beteiligt. Kämpfer der Truppe wurden gemäss Medienberichten in der Ukraine wegen Kriegsverbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt. Der deutschen «Tagesschau» zufolge sollen die Redut und die Gazprom-Söldner stark mit dem russischen Verteidigungsministerium verzahnt sein. Kämpfern sei nicht immer klar, ob sie Söldner oder reguläre Soldaten seien, heisst es.

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Ein von der Ukraine gefangen genommener Redut-Söldner. - Telegram @Служба безпеки України

Gegründet 2008, war Redut bereits vor der Ukraine in den verschiedensten Krisenherden unterwegs, darunter Syrien, Somalia, Afghanistan. Das Unternehmen gilt als Konkurrent zur Gruppe Wagner. Laut «Financial Times» wird die Truppenstärke ukrainischen Geheimdienstdokumenten zufolge auf etwa 7000 Soldaten geschätzt.

Auch bei Redut soll Gazprom Mittel einschiessen. Als Hauptfinanzier gelten «gulagu.net» zufolge aber die Oligarchen Oleg Deripaska und Gennadi Timtschenko. Delikat: Deren Gelder kommen unter anderem aus der Schweiz.

Die Journalistin Agathe Duparc von der NGO «Public Eye» hat Deripaskas Geschäftsbeziehungen in die Schweiz gegenüber der «RSI» dargelegt. Der Oligarch hält 27 Prozent am Bauunternehmen Strabag, zwei Töchter seines Aluminiumherstellers Rusal sitzen in Zug. Und an seiner anderen Aluminiumfirma, En+, ist die Zuger Glencore mit über zehn Prozent beteiligt.

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Oleg Deripaska in St. Petersburg im Juni 2022. - keystone

Auch Timtschenko besitzt der «RSI» zufolge Unternehmen, die in der Schweiz tätig sind und eine Villa in Cologny GE.

Evro Polis, ENOT, Patriot, Achmat – die restlichen PMCs

Neben Wagner, Redut und den drei Gazprom-PMCs gibt es eine Menge anderer russischer Militärunternehmen. Da wäre Evro Polis, der zweite Söldnertrupp im Firmengeflecht Jewgeni Prigoschins. Das Unternehmen beschützt Medienberichten zufolge Öl- und Gasfelder im Auftrag des syrischen Regimes und ist an deren Umsätzen beteiligt.

Oder die Söldnergruppe ENOT, die 2011 vom russischen Nationalisten Igor Manguschew gegründet wurde. Die Gruppe war tätig in Syrien, Berg-Karabach, im Donbass und zuletzt auch anderswo in der Ukraine. ENOT-Gründer Manguschew wurde Anfangs Februar in der Ukraine getötet.

Das PMC Patriot kämpft Kiew zufolge seit Dezember 2022 in der Ukraine. Auch in Syrien ist Patriot aktiv, laut «Kyiv Post» sollen es insgesamt sieben Länder sein. Das Verteidigungsministerium hat einen grossen Einfluss über die Gruppe. In den Medien wird sie oft auch als Verteidigungsminister Schoigus private Söldnerarmee dargestellt.

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Patriot gilt als eng verbunden mit Verteidigungsminister Schoigu. Medien bezeichnen das Unternehmen deshalb auch als seine Privatarmee. - dpa

Eine andere hochrangige Persönlichkeit mit Militärs im Rücken ist Ramsan Kadyrow. Seine tschetschenischen Achmat-Spezialtruppen gehören zwar offiziell zur Armee. Trotzdem unterschrieben sie, wie von PMCs seit kurzem gefordert, jüngst einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium.

Daneben gibt es diverse Freiwilligenverbände, die für Russland in der Ukraine kämpfen. Der stellvertretende Verteidigungsminister Nikolai Pankow sprach im Juni von mehr als 40 solcher Einheiten. Der «Moscow Times» zufolge haben insbesondere rechtsextreme und imperialistische Kräfte Milizen gegründet oder sich ihnen angeschlossen.

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