Dekra nimmt künftig auch Autos in China unter die Lupe
Das Wichtigste in Kürze
- Die Prüforganisation Dekra will künftig auch in China Autos unter die Lupe nehmen.
«Wir teasern den Markt jetzt an und sind bereit, weiter zu investieren», sagte Dekra-Chef Stefan Kölbl der Deutschen Presse-Agentur.
Zwar war die Prüforganisation mit Sitz in Stuttgart schon im Bereich der Produktprüfung in China aktiv. Bei den Hauptuntersuchungen war bis vor kurzem ein Einstieg für internationale Firmen aber nicht möglich.
«Bis 2014 gab es das staatliche Monopol, seitdem wurde es sukzessive liberalisiert», sagte Kölbl. Doch bislang hätten vor allem kleinere chinesische Firmen Prüfstationen eröffnet. «Wir sind eine der ersten westlichen Organisationen, die in diesen Markt einsteigt.»
Am 19. März eröffnet das Unternehmen mit Sitz in Stuttgart die erste Prüfstelle in der südchinesischen Millionenstadt Shenzhen, in der zweiten Jahreshälfte folgt die zweite in Peking. «In den kommenden Jahren hoffen wir, weitere Stellen aufbauen zu können», sagte Kölbl. Die Dekra schätzt den Markt für Hauptuntersuchungen in China auf 30 Milliarden Euro jährlich.
China ist trotz eines Rückgangs im vergangenen Jahr immer noch der grösste Automarkt weltweit. Gewerblich genutzte Autos und grössere Fahrzeuge müssen von der Erstzulassung an jährlich geprüft werden. Bei Privatautos wird laut Dekra die erste Hauptuntersuchung erst nach sechs Jahren fällig, wenn sie weniger als sieben Sitze haben.
Weltweit ist die Sicherheitsprüfung von Autos völlig unterschiedlich geregelt. Übernehmen in vielen europäischen Ländern Tüv, Dekra & Co. diese Aufgabe, erfolgt die Prüfung beispielsweise in den Niederlanden in Werkstätten. In einigen Regionen in der Schweiz und Spanien übernehmen noch staatliche Stellen die Hauptuntersuchung.
Die Dekra braucht für den Einstieg - wie andere Firmen in anderen Branchen auch - einen chinesischen Partner. «In dem Fall haben wir mit der Regierung vor Ort in der Region und in Peking zusammengearbeitet und es gibt ein Joint Venture mit einer privaten chinesischen Firma», sagte Kölbl. Wieviel Geld die Dekra dafür in die Hand nimmt, liess er offen. Andere deutsche Prüforganisationen wie Tüv Süd oder GTÜ planen bislang keinen Einstieg in das Geschäft.
Dabei zieht die Dekra die Prüfung im industriellen Massstab auf: In Shenzhen werden in einer grossen Halle mit 20 Mitarbeitern jährlich bis zu 50.000 Fahrzeuge überprüft - in Peking sollen es mit 80 Mitarbeitern mehr als drei Mal so viele sein. «Da fährt ein Fahrzeug durch eine grosse Halle, an jeder Stelle wird etwas anderes getestet - Licht, Karosserie, Reifen», so Kölbl. «Wir schaffen da 20 Fahrzeuge pro Stunde.» Im Gegensatz zu Deutschland hat die Dekra auch noch eine hoheitliche Aufgabe, die hierzulande nur Behörden zukäme: Sie kontrolliert, ob der Halter alle Strafzettel bezahlt hat. Nur dann werden die Fahrzeuge abgenommen.
In Europa hingegen fühlen sich die Fahrzeugprüfer nach wie vor ausgebremst. Seit Jahren fordern sie, bei der Abgasuntersuchung mehr als nur den Bordcomputer auslesen zu dürfen. Denn die Daten, so die Argumentation, liessen sich zu leicht manipulieren, wie im VW-Skandal deutlich wurde. «Seit Januar 2018 messen unsere Experten bei der Abgasuntersuchung wieder bei allen Fahrzeugen mit der Messsonde am Auspuff-Endrohr», sagte Kölbl. Doch das reicht seiner Meinung nach nicht: «Wir sagen, wir brauchen den ungefilterten Zugang zu sicherheits- und umweltrelevanten Daten im Fahrzeug.»
Das gleiche gelte auch für Daten, die vernetzte Fahrzeuge in Zukunft abgeben werden. Die Automobilindustrie plant in ihrem Projekt Nevada, dass solche Daten auf einem gemeinsamen Server gespeichert werden. Von dort sollen sie Rettungskräften, Polizei, Gerichtsgutachtern, aber auch den Prüforganisationen oder Versicherungen zur Verfügung gestellt werden. «Wir wissen heute nicht, was für Daten das sind und wie sie zustande kommen. Sie sind auf jeden Fall nicht objektiv», kritisierte Kölbl. «Das wäre so, als würden die Hersteller heute festlegen, welche Fahrzeuge überhaupt geprüft werden müssen.»
Die Prüforganisationen fordern deshalb in einer gemeinsamen Position ein unabhängiges «Trust Center», wo die Daten gespeichert werden. «Wir würden uns wünschen, dass in Deutschland eine klare Position eingenommen wird», sagte Kölbl. «Die Frage, wem gehören die Daten, hat man gesetzlich noch nicht unterfüttert. Unserer Auffassung nach gehören sie dem Fahrzeughalter.»