Die erste grosse Niederlage für den Neo-Premier: Nach May kämpft nun auch Boris Johnson gegen sein eigenes Parlament. So reagiert die Presse in Grossbritannien.
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Premierminister Boris Johnson bei der gestrigen Debatte im britischen House of Commons. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Dienstagabend musste Boris Johnson seine bitterste Niederlage als Premier einstecken.
  • Nun könnte das britische Parlament im Brexit das Heft in die Hand nehmen.
  • Die Presse bezeichnet es als grosse Demütigung und spekuliert bereits über ein Amts-Ende.

Boris Johnson kam, sah, und scheiterte. Gestern Dienstagabend musste der Neo-Premierminister einen herben Rückschlag einstecken. Denn: Das britische Parlament hat sich für einen Antrag ausgesprochen, der den Abgeordneten die vorläufige Kontrolle über die Tagesagenda im Unterhaus gibt.

Damit erhalten die Abgeordneten heute die Möglichkeit, Johnson zu verbieten, einen No-Deal-Brexit bis Ende Oktober durchzuziehen.

Umso klarer wird nun: Boris Johnson hat zu hoch gepokert, als er vergangene Woche dem Parlament eine Zwangspause aufs Auge drückte und mit der Entmachtung des Parlaments so einige Abgeordnete im Unterhaus brüskierte. Nun rächt sich sein enthusiastisches Vorbreschen.

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Premierminister Boris Johnson spricht an der gestrigen Debatte im britischen Unterhaus. - keystone

Aber nicht nur das: Während der Debatte von gestern Abend läuft der Abgeordnete Phillip Lee von den Tories zu den Liberaldemokraten über. Damit verliert Johnson eine hauchdünne Mehrheit im Unterhaus. Fazit des gestrigen Abends: Eine empfindliche Niederlage für Johnson ist noch gelinde ausgedrückt.

Das schreibt die Presse über Boris Johnson:

Das sieht auch die britische Presse mehrheitlich so. So schreibt etwa «The Guardian» in einem Beitrag unter dem Titel «Clown-Prinz Johnson kauert vor der Rebellenallianz» unter anderem: «Dies war die letzte Demütigung an einem Tag voller solcher.»

Und: «Dies war der Tag, an dem Boris Johnson nackt ausgezogen wurde.» Manch einer werde sich die Rückkehr von Theresa May wünschen.

Im «Daily Mirror» heisst es: «Boris verliert die Kontrolle». Und der «Spectator» werweist bereits: Boris Johnson könnte zum kürzesten amtierenden Premierminister der Geschichte mutieren.

«Mirror» und «The National» schreiben von einer «Demütigung» für Johnson. Für den «Independent» ist klar: Ein desaströser Tag für den Premierminister. «Johnson verliert die Kontrolle.»

Andere Schuldige an der Misere sieht etwa der «Daily Express». Das Blatt wettert: «Das Parlament liefert sich an die EU aus». Und: «Der Kommunist Corbyn würde Grossbritannien zerstören.

In der «Daily Mail» kriegt nicht nur die Labour-Partei und die 21 Tory-Rebellen, die gegen ihre eigene Partei stimmten, ihr Fett weg. So wird Parlamentssprecher John Bercow als «ein schamloser Öffentlichkeitssuchender mit einem stratosphärischen Ego» bezeichnet, der das jahrhundertealte parlamentarische Verfahren zerstöre, um «den Austritt aus der EU zu verhindern».

So geht es weiter:

Klar ist: Über Monate hinweg war es der Blondschopf selbst, der ständig seine Vorgängerin Theresa May mit ihren Brexit-Plänen kritisierte und zu blockieren versuchte. Wie sich jetzt zeigt, lässt das Parlament auch Johnson nicht einfach so durchmarschieren. Im Gegenteil: Das Parlament will das Brexit-Dossier in den eigenen Händen halten.

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Parlamentssprecher John Bercow hat sein Amt seit zehn Jahren inne. - keystone

Ob dies gelingt, wird sich in den nächsten Stunden entscheiden. Heute Mittwoch um 13 Uhr wird sich Johnson erneut den Fragen den Abgeordneten stellen müssen. Dann dürfte um 16 Uhr die Debatte über den Entwurf des Gesetzes gegen einen No-Deal-Brexit beginnen.

Schliesslich kommt es wohl um 20 Uhr zum Showdown: Dann entscheiden die Parlamentarier im Unterhaus über das Gesetz.

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