Dass heute im Bundestag weniger Frauen sitzen als in der vergangenen Wahlperiode, findet Elke Büdenbender «furchtbar». Im dpa-Interview äussert sich die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch zu Gendersternchen, Flugscham und privater Mülltrennung.
«Eine unglaublich spannende Erfahrung, eine bereichernde Aufgabe»: Seit zweieinhalb Jahren ist Elke Büdenbender Deutschlands First Lady. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
«Eine unglaublich spannende Erfahrung, eine bereichernde Aufgabe»: Seit zweieinhalb Jahren ist Elke Büdenbender Deutschlands First Lady. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Deutschlands First Lady Elke Büdenbender hat dazu aufgerufen, mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen.

Der nach wie vor enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsweg müsse entkoppelt werden, sagte die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Sie nannte die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg eine «beeindruckende junge Frau», die ungeheuer viel bewege.

Frage: Frau Büdenbender, die Hälfte der Amtszeit Ihres Mannes ist um. Das gilt natürlich auch für Sie. Wie waren diese zweieinhalb Jahre aus Ihrer Sicht?

Antwort: Gut, wirklich gut. Es war bislang - und ich denke, es wird in der kommenden Zeit auch so sein - eine unglaublich spannende Erfahrung, eine bereichernde Aufgabe. Ich hätte ja auch im Leben nicht damit gerechnet, dass ich mal das Glück haben würde, so besondere Erfahrungen zu machen. Ich empfinde das als ein besonderes Privileg.

Frage: Welche Schwerpunkte haben Sie sich gesetzt?

Antwort: Bildung - das ist für mich ein echtes Lebensthema. Mein Ziel ist, dass wir alle Kinder mitnehmen. Ich möchte, dass Eltern und Kinder vorurteilsfrei an die Berufswahl rangehen, offener werden für unterschiedliche Ausbildungs- und Berufswege. Ich will auch dafür Aufmerksamkeit schaffen, wo wir Frauen gerade stehen - in der Politik, der Wirtschaft, bei der Bildung und in der Digitalisierung. Und ich bringe gerne Menschen zusammen. Wie viel Freude mir das macht, das ist mir in den vergangenen Jahren besonders bewusst geworden.

Frage: Stichwort Bildung: Die jüngste Pisa-Studie hat erneut gezeigt, dass hierzulande Bildungschancen stark von der sozialen Herkunft abhängen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich daran einfach nichts ändert?

Antwort: So richtig erklären kann ich es mir auch nicht. Denn an sich gibt es viele Möglichkeiten, finanzielle Unterstützung für Kinder zu bekommen, die vielleicht vom Elternhaus her finanziell nicht so gut gestellt sind, also Schüler-Bafög oder Studenten-Bafög. Dass aber die soziale Herkunft immer noch eng verknüpft ist mit der Frage, wie weit und wohin einen der Bildungsweg führt, das kann niemand bestreiten. Wir müssen es schaffen, diesen Zusammenhang zu entkoppeln.

Frage: Was muss man dafür tun?

Antwort: Wir müssen beispielsweise Eltern unterstützen, die sich gar nicht vorstellen können, dass ihr Kind Talent hat für einen anderen Bildungsweg, oder für andere Berufe und Themen. Wir müssen Kinder, die aus den sogenannten bildungsfernen Schichten kommen, unterstützen und ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. Und ich glaube, unsere Schullandschaft muss offener und vielfältiger werden.

Frage: Was heisst das?

Antwort: Das heisst, wir dürfen uns nicht so festbeissen an bestimmten Schulformen. Für manche Kinder ist das klassische Schulsystem gut, für andere Kinder ist es besser, wenn sie auf Schulen sind mit besonderen, zum Beispiel musischen Schwerpunkten oder in einer Ganztagsschule, wo sie dann nachmittags gegebenenfalls auch Hausaufgaben machen können. Wir müssen da vielfältiger denken. Ich weiss aber auch, dass das für die Kommunen als Schulträger schwierig zu finanzieren ist.

Frage: Muss das nicht schon vor der Schule beginnen?

Antwort: Ja, es geht viel früher los - die Kita ist ein ganz wichtiger Baustein in der Bildung von Kindern. Kinder lernen dort, miteinander umzugehen. Sie lernen, feinmotorische Fähigkeiten zu entwickeln. Sie lernen, Kompromisse zu schliessen. Und sie lernen, sich in Gruppen zu bewegen. Eigentlich wäre es gut, wenn die Kinder das alles schon in die Schule mitbrächten. Von daher werbe ich immer ganz stark für die vorschulische Bildung von Kindern. Natürlich gibt es Eltern, die an dieser Stelle Vorbehalte haben, und man soll auch niemanden zwingen.

Frage: Zu einem anderen Thema: Sie sind mit ihrem Mann viel unterwegs, in Flugzeugen, die nicht immer voll sind. Empfinden Sie manchmal so etwas wie Flugscham?

Antwort: Zu diesen Flügen gibt es aus verschiedenen Gründen keine echte Alternative. Ich selber fahre privat, aber auch für den Job viel mit der Bahn. Das mache ich nicht nur aus Umweltschutzgründen, sondern auch weil ich es einfach so viel angenehmer finde. Mit meiner Familie fahre ich total gerne mit der Bahn, das sind dann schon mal sechs, sieben Stunden, zum Beispiel in den Urlaub. Und wenn ich in der Bahn sitze, habe ich wenig Redebedarf. Da möchte ich vor allem lesen.

Frage: Stellen Sie dann die Tasche auf den Sitz neben sich, um Ruhe zu haben?

Antwort: So gemein bin ich nicht.

Frage: Wie halten Sie es privat mit dem Fliegen?

Antwort: Ich vermeide es. Man kann übrigens auch sehr gut mit der Bahn durch Europa fahren. Das kann ich nur empfehlen. Ich habe gerade für das Frühjahr gebucht: Paris hin und zurück, mit der Bahn, 1. Klasse für 110 Euro - gar nicht so teuer wie man denken würde, aber es dauert natürlich auch recht lange.

Frage: Was halten Sie von den Schülerdemos Fridays for Future?

Antwort: Ich finde es sehr gut, wenn junge Leute sich für ihre Sache engagieren und dafür auch mal wieder auf die Strasse gehen. Das gilt für viele Themen. Was ich ebenfalls toll finde, ist, wenn Kinder etwas für andere Kinder tun, etwa das Programm Kinderhilfsorganisation «Children for a better world». Ich habe da Grundschulkinder kennengelernt, die ein- oder zweimal im Monat für ihre Freunde im Flüchtlingsheim gekocht haben.

Frage: Wären Sie früher bei Fridays for Future mitgelaufen?

Antwort: Ich glaube schon. Ich war häufig auf Demonstrationen - der IG Metall, aber auch in meiner Heimat Siegen bei Demonstrationen gegen den Leerstand von Häusern. Aber die grossen Demos, etwa gegen Kernkraft, die waren mir damals zu gewalttätig. Da habe ich Angst gehabt.

Frage: Hätten Sie Ihre Tochter unterstützt, wenn sie zu den Freitagsdemos hätte gehen wollen?

Antwort: Ja, wenn sie das gewollt hätte.

Frage: Wie stehen Sie zu Greta Thunberg?

Antwort: Sie ist eine beeindruckende junge Frau. Sie bewegt ungeheuer viel, weil sie als Symbolfigur vorne steht. Als Mutter weiss ich aber auch, wie verletzlich Mädchen in diesem Alter sind. Und Greta Thunberg kriegt schon viel ab, vor allem im Internet. Eine junge Frau derartig zu schmähen, das kann ich nicht nachvollziehen, und ich finde es auch wirklich ganz furchtbar. Sie hat sich ein Programm gegeben und zieht das ziemlich konsequent durch. Mich treibt nur die Sorge um, ob das Kind, ob der Mensch Greta Thunberg das so aushält. Aber ich kann es natürlich nicht beurteilen.

Frage: Haben Sie denn Ihr persönliches Verhalten durch die Klimawandel-Debatte geändert?

Antwort: Ich habe mich schon immer bemüht, mich umweltbewusst zu verhalten, zum Beispiel Müll zu trennen. Und ich bin nochmal aufmerksamer geworden. Ich versuche, wo es geht, Plastik zu vermeiden. Als mein Mann und ich Anfang des Jahres auf den Galapagos-Inseln waren, haben wir gesehen, dass dort unser Plastikmüll angespült wird. Das hat mich ehrlich gesagt mehr schockiert als mich jetzt die Fridays-for-Future-Bewegung beeinflusst.

Frage: Sollten die Dienstwagen hier irgendwann Elektroautos werden?

Antwort: Im Bundespräsidialamt ist das zum Teil bereits so. Ich denke, was möglich ist, sollte man machen.

Frage: In Deutschland behaupten gerade viele Menschen, man dürfe nicht mehr alles frei sagen, was man wolle. Was würden sie denen antworten?

Antwort: Dass das nicht stimmt: In Deutschland gilt die Meinungsfreiheit. Alles, was das Strafgesetzbuch nicht unter Strafe stellt, kann man in unserem Land sagen. Man muss aber natürlich damit leben, dass andere eine andere Meinung haben. Die Meinungsfreiheit und auch der Streit um Meinungen sind ein ganz hohes Gut. Sie sind schlichtweg konstituierend für die Demokratie. Und beides wird hier auch gewährleistet.

Frage: Es kommt ja nicht nur auf die Inhalte an.

Antwort: Ja, so ist es - mich treibt auch eher die Art um, wie wir miteinander reden, wie Hass und Häme über andere ausgegossen werden, vor allem im Internet. Hemmungen gehen dort mehr und mehr verloren. Das habe ich früher nicht erlebt. Und es gibt übelste Beschimpfungen, gerade Frauen gegenüber, auch Frauen, die sich politisch äussern. Sie sind teilweise einer sprachlich sexualisierten Gewalt ausgesetzt, die jede Grenze überschreitet. Das hat Auswirkungen: Es macht Frauen auch stumm. Und verbale Gewalt kann der erste Schritt zu echter Gewalt sein.

Frage: Die Frage, ob Sie Feministin sind, beantworten Sie immer mit einem deutlichen Ja. Was halten Sie von der Debatte um Gendersternchen wie in «Lehrer*nnen» und die Gleichberechtigung in der Sprache?

Antwort: Ach ja, da ist ein schönes Thema. Dahinter steht die berechtigte Forderung: Ich will gemeint, nicht nur mitgemeint sein. Mir fällt das nahezu täglich auf, wenn es irgendwo heisst «der Richter». Nein - ich bin «die Richterin»! Aber zugegeben: Das Gendersternchen sieht nicht schön aus. Deshalb benutze ich beim Schreiben das grosse «I», also wie in «RichterInnen». Und beim Sprechen versuche ich das durch Abwechseln zu lösen: Ich sage zum Beispiel einmal «die Ärztin» und dann «der Psychiater».

Frage: Gerade kursierte ein Foto der neuen finnischen Regierung, mit lauter jungen Frauen.

Antwort: Cool! Das ist doch mal eine Ansage! Ich kenne die Bildungsministerin ganz gut, eine total gut aufgestellte Frau, die weiss, was sie will.

Frage: Vervollständigen Sie bitte den Satz: Dass heute im Bundestag viel weniger Frauen sitzen als in der vergangenen Wahlperiode, finden Sie...

Antwort: ...furchtbar...unmöglich! Dazu kann ich nur sagen: Die Quote ist kein Allheilmittel, aber sie funktioniert.

Frage: Haben Sie sich geärgert, als Sie eben das Bild der deutschen Innenministerkonferenz gesehen haben - nur Männer?

Antwort: Nicht geärgert. Aber ich habe drauf geguckt und gedacht: Seht Ihr das nicht? Mehr muss man dazu gar nicht sagen.

Frage: Nochmals zurück zum Thema Bildung: Die Pisa-Studie hat auch ein grosses Desinteresse und Schwächen beim Lesen aufgezeigt. Was läuft da schief?

Antwort: Ich denke, dass die Digitalisierung an dieser Stelle ebenfalls vieles verändert. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich merke es auch bei mir: Die Nutzung sozialer Medien führt zum Häppchenlesen. Zum Lesen braucht der Mensch hingegen eine gewisse innere Ruhe und die Fähigkeit, sich über eine längere Zeit zu konzentrieren. Ich weiss auch nicht, wie viel Zuhause noch vorgelesen wird. Das ist aber wichtig, um Kinder ans Lesen heranzuführen.

Frage: Wie halten Sie es selbst mit dem Lesen?

Antwort: Also, mir macht Lesen nach wie vor grossen Spass. Ich lese gerne und viel. Aber ich wähle auch aus. Wenn ich ein Buch anfange und ich merke nach einiger Zeit, dass es wirklich ganz zäh wird, dann erlaube ich mir mittlerweile, es nicht zu Ende zu lesen.

Frage: Welches Buch haben Sie denn zuletzt in einem Rutsch durchgelesen?

Antwort: Ich lese gerade Eugen Ruge, Metropol. Grossartig!

Frage: Im digitalen Zeitalter wird auch darüber diskutiert, ob Kinder überhaupt noch das Schreiben mit der Hand lernen sollen. Sollen sie?

Antwort: Davon bin ich sowas von überzeugt. Ich glaube, Kopf und Hand haben ganz viel miteinander zu tun. Über die Hand ins Hirn - das liegt für mich sehr nahe. Natürlich müssen Kinder schreiben lernen.

Frage: Schreiben Sie selbst noch mit der Hand?

Antwort: Ja, und ich finde, es macht Spass zu schreiben. Ich habe eine Freundin, mit der schreibe ich mir regelmässig Briefe. Und ich führe Tagebuch. Das mache ich unregelmässig, aber schon seit vielen Jahren.

Frage: Und was halten Sie denn in Ihrem Tagebuch fest?

Antwort: Das ist schon Privates. Also besonders herausragende Momente, zum Beispiel als meine Tochter ihren ersten Zahn verloren hat oder als sie anfing zu laufen. Aber dann auch so halb-private Momente - als mein Mann Aussenminister wurde oder dann Bundespräsident.

Frage: Ist Ihr Leben jetzt eigentlich mit vielen Einschränkungen verbunden? Vermissen Sie manchmal die Freiheit einfach einkaufen zu gehen?

Antwort: Das ist gar kein Problem, das mache ich. Wir kaufen meistens in denselben Geschäften ein, quatschen dort ein bisschen und dann ist gut. Ich kann auch nach wie vor S-Bahn und U-Bahn fahren.

Frage: Sie sind bis 2022 als Richterin beurlaubt. Können Sie sich vorstellen, nochmal fünf Jahre dranzuhängen?

Antwort: Es ist ja gerade erstmal die Hälfte der Amtszeit vorbei. Ich liebe meinen Beruf und vermisse ihn auch. Ich bin wirklich gerne Richterin. Gleichzeitig habe ich hier zurzeit eine sehr besondere, eine wertvolle und tolle Aufgabe, die mich ehrt und mit der ich einiges bewirken kann.

ZUR PERSON: Elke Büdenbender (57) wurde in Siegen (NRW) geboren, bis 1978 besuchte sie eine Aufbaurealschule und machte eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Das Abitur holte sie nach und studierte ab 1985 Jura in Giessen. Dort lernte sie Frank-Walter Steinmeier kennen, mit dem sie seit 1995 verheiratet ist. Das Paar hat eine Tochter. Seit 2000 ist sie Richterin am Verwaltungsgericht Berlin, zur Zeit ist sie beurlaubt. Als First Lady engagiert sie sich besonders für Bildung und Ausbildung. Sie ist wie ihre Vorgängerinnen Schirmherrin des UN-Kinderhilfswerks Unicef.

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