Obergerichte uneins über Corona-Verkaufsverbote

DPA
DPA

Deutschland,

Sind die Einschränkungen für den Einzelhandel in der Corona-Krise rechtmässig? Deutschlands Richter sind sich uneinig. Gerichte in den Bundesländern entscheiden unterschiedlich - ein rechtlicher Flickenteppich.

Anders als kleine Geschäfte dürfen in Bayern grosse Warenhäuser mit mehr als 800 Quadratmetern wegen der Coronakrise nicht öffnen. Das ist verfassungswidrig, unrteilte nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Foto: Peter Kneffel/dpa
Anders als kleine Geschäfte dürfen in Bayern grosse Warenhäuser mit mehr als 800 Quadratmetern wegen der Coronakrise nicht öffnen. Das ist verfassungswidrig, unrteilte nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Foto: Peter Kneffel/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Verkaufsverbote für grosse Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern spalten die deutsche Rechtsprechung.

Am Montag verkündeten die Oberverwaltungsgerichte in Bayern, Niedersachsen und dem Saarland unterschiedliche Entscheidungen zur Rechtmässigkeit der Verkaufsverbote.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVGH) in München sieht in der 800-Quadratmeter-Regel einen verfassungswidrigen Verstoss gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Oberverwaltungsgerichte in Niedersachsen und dem Saarland dagegen halten die Vorschrift für rechtens. Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte einheitliche Regelungen für alle Einzelhändler unabhängig von der Ladengrösse.

Der Stein des Anstosses: Die 800-Quadratmeter-Regel gilt nicht für alle Geschäfte gleichermassen, deswegen klagen mehrere Einzelhändler in mehreren Bundesländern. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München rügte insbesondere die Ausnahmen für Buchläden und Fahrradhändler. Das ist aus Sicht des höchsten bayerischen Verwaltungsgerichts «aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt».

Daher dürfen in Bayern ab sofort grosse Geschäfte wieder öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter beschränken. Das sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Montag auf Anfrage in München. Ausser Kraft setzt das Gericht die bayerische Version der Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage «ausnahmsweise» aber nicht, wie es in der Mitteilung hiess. Der 20. Senat beschränkte sich darauf, die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festzustellen.

Die Richterkollegen in Lüneburg und Saarlouis sehen die Sache ohnehin anders. Laut niedersächsischem Oberverwaltungsgericht ist die Flächenbeschränkung eine notwendige infektionsschutzrechtliche Massnahme. Dementsprechend lehnte der 13. Senat den Antrag ab, die Regel vorläufig ausser Kraft zu setzen. Geklagt haben vier grosse Möbelhäuser mit Verkaufsflächen von 25.000 bis 60.000 Quadratmetern aus dem Raum Hannover.

Und im Saarland lehnte das Oberverwaltungsgericht einen Antrag des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof auf Aussetzung der dortigen Corona-Bekämpfungsverordnung ab. Eine Reduzierung des Warenangebots durch Verkleinerung der Verkaufsfläche und die dadurch bewirkte Leerung der Innenstädte sei ein «geeignetes und erforderliches Mittel, um die Ansteckungsgefahr zu verringern», begründete das Gericht in Saarlouis seine Entscheidung.

«Der Handel braucht diskriminierungsfreie Regelungen für die Ladenöffnungen», forderte in Berlin Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands HDE. «Wir finden die Regeln wettbewerbsverzerrend und willkürlich», kritisierte Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern. «Ein grosses Möbelhaus kann den Abstand zwischen den Kunden genauso gewährleisten wie ein kleiner Einzelhändler.» Auch die teilweise unterschiedlichen Vorschriften in verschiedenen Bundesländern ärgern den Einzelhandel: «Letztendlich kocht jedes Land sein eigenes Süppchen», sagte Ohlmann. Für die Unternehmen sei jeder einzelne Tag wichtig.

Neben Einzelhändlern klagen deutschlandweit auch viele Bürger gegen Corona-Einschränkungen. «Die Gerichte verzeichnen eine steigende Zahl von Rechtsschutzgesuchen gegen die Corona-Massnahmen», sagte dazu Sven Rebehn, der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds. «Im Verlauf der Pandemie ist eine Tendenz festzustellen, dass die Gerichte feiner abgestufte, differenzierte Massnahmen zum Infektionsschutz verlangen und generelle Verbote kritischer bewerten.»

Kommentare

Weiterlesen

Kiss-Cam
52 Interaktionen
«Billig»
donald trump zölle
723 Interaktionen
Ökonom warnt

MEHR IN NEWS

jd.com
Hintergrund
Atom-U-Boot
2 Interaktionen
Atom-U-Boote
Lebensgefahr
iphones körper
2 Interaktionen
Kurios

MEHR AUS DEUTSCHLAND

Alexander Zverev
1 Interaktionen
Mentale Probleme
yasin mohamed
Grosses Glück
Florian Niederlechner
Sohn (†6) verstorben
Ticker
198 Interaktionen
Ndoye nach England