Der Kreml hält die Leiche von Alexej Nawalny zurück. Soll damit ein Vergiftungsmord vertuscht werden? Der Nowitschok-Entwickler meldet sich nun selbst zu Wort.
Alexej Nawalny
Der russische Machtapparat hält die Leiche des am Freitag voriger Woche für tot erklärten Alexej Nawalny weiter unter Verschluss. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Kreml-Kritiker Alexej Nawalny soll vergiftet worden sein.
  • Das würde erklären, warum der Kreml seine sterblichen Überreste zurückhält.
  • 2020 wurde bereits einmal ein Giftanschlag durch Nowitschok auf Nawalny verübt.
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Seine Witwe Julia Nawalnaja ist sich sicher: Alexej Nawalny (†47) wurde vergiftet und starb – nicht wie von russischer Seite behauptet – «plötzlich» nach einem Spaziergang. In einem Video-Statement machte sie den Behörden schwere Vorwürfe: «Sie lügen erbärmlich und warten darauf, dass die Spuren eines weiteren Putin‘schen Nowitschoks dort verschwinden.»

Die Hinweise auf diese Theorie verdichten sich. Osteuropa-Experte Andreas Umland erklärte gegenüber Nau.ch, eine Vergiftung werde mit jedem Tag, den die Behörden die Leiche verbergen, plausibler.

«Warum sollten sie dies tun, wenn Nawalny an einer Krankheit gestorben wäre?», sagte er.

Glauben Sie, Alexej Nawalny wurde vergiftet?

Nun gibt der Mitentwickler des zu Sowjetzeiten entwickelten Nervengiftes Nowitschok selbst eine Einschätzung. In einem Interview mit dem unabhängigen russischen Medium «Meduza» will Wil Mirsajanow die Vergiftungs-Theorie nicht ausschliessen.

Spuren von Nowitschok bleiben lange nachweisbar

«Nowitschok bleibt auf unbestimmte Zeit im Körper», sagt er. Es bestünden kaum Möglichkeiten, die Spuren des Nervenkampfstoffes verschwinden zu lassen. «Die Abbauprodukte der Chemikalie werden für immer bleiben, da es keinen natürlichen Abfluss von Urin oder Kot mehr gibt.»

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny befand sich zuletzt in einem Straflager in der Polarregion Russlands.
Nawalny
Nun, kurz vor den Wahlen in Russland, ist Nawalny gestorben.
Video
Kurz vor seinem Tod erschien der Kreml-Kritiker noch in einem Video vor Gericht.
Straflager
Im Dezember wurde er in ein Straflager in Sibirien gebracht.
Julia Nawalnaja
Seine Frau Julia Nawalnaja wird nun zum Symbol für Stärke und fast unvorstellbare Selbstbeherrschung – und zur Hoffnungsträgerin.
Gefängnis
Zuletzt soll er immer wieder in Isolationshaft gesteckt worden sein.

Das würde erklären, warum die Familie von Alexej Nawalny dessen sterbliche Überreste nicht in Empfang nehmen kann. «Wenn es wahr ist, dass er vergiftet wurde, ist es unwahrscheinlich, dass sie seine Leiche seiner Mutter übergeben wird.»

Denn: «Der Körper einer vergifteten Person ist für Menschen ohne Schutzausrüstung gefährlich», so Mirsajanow. Heisst: Eine weitere Vertuschung würde somit hinfällig.

Alexej Nawalny wurde 2020 auf Flug mit Nowitschok vergiftet

Im August 2020 wurde Alexej Nawalny bereits einmal mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet. Auf einem Flug innerhalb Russlands brach der grösste Gegenspieler von Wladimir Putin bewusstlos zusammen. Das Flugzeug musste notlanden, Nawalny wurde in einem sibirischen Spital in ein künstliches Koma versetzt.

Wenige Wochen später wies ein deutsches Labor im Auftrag von Nawalnys Team Nowitschok-Spuren auf seiner Wasserflasche nach. Für internationale Beobachter war klar, dass der russische Geheimdienst hinter seiner Vergiftung gestanden haben muss. Alexej Nawalny selbst machte später in einem Interview Wladimir Putin für die Tat verantwortlich.

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny wurde 2020 nach seiner Vergiftung in der Berliner Charité behandelt. - Keystone

Der Oppositionspolitiker und Anti-Korruptions-Aktivist wurde im Anschluss an die Vergiftung nach Deutschland zur Behandlung verlegt. Dort erwachte er gut einen Monat später aus dem künstlichen Koma.

Nach seiner Genesung kehrte er Anfang 2021 freiwillig nach Russland zurück. Noch am Flughafen wurde Alexej Nawalny verhaftet. Die von Wladimir Putin kontrollierte Justiz warf ihm Betrug, Missachtung von Gerichtsauflagen und Extremismus vor.

Am vergangenen Freitag starb Nawalny im Alter von 47 Jahren im russischen Straflager Polarwolf. «Nawalny gilt nun als Märtyrer für die Demokratie», sagte Andreas Umland, Analyst am Stockholmer Institut für Osteuropa-Studien, gegenüber Nau.ch.

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