Ein neues Gesetz soll es China künftig ermöglichen, eigene Sicherheitsorgane in Hongkong einzusetzen. Kritiker sehen einen massiven Eingriff in die Autonomie.
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Von Bereitschaftspolizisten festgehaltene regierungskritische Demonstranten sitzen am 27. Mai auf dem Boden im Central District von Hongkong. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mit einem neuen Gesetz soll China in Hongkong eigene Sicherheitsorgane einsetzen können.
  • Damit könnten die Rechte der Hongkonger eingeschränkt werden.
  • Eine Hintertür im Hongkonger Grundgesetz ermöglicht die Einführung eines solchen Gesetzes.

Ein Beschluss des chinesischen Volkskongresses löst international heftige Kritik aus. Es geht darum, dass China künftig «wenn nötig» auch eigene nationale Sicherheitsorgane in Hongkong aufstellen und einsetzen will. Der chinesischen Regierung geht es darum, «die betreffenden Verpflichtungen zur Sicherung der nationalen Sicherheit nach dem Gesetz zu erfüllen».

Die Befürchtungen von Kritikern: Dieses Sicherheitsgesetz könnte die Rechte und Freiheiten der Hongkonger einschränken. Chinesische Sicherheitsorgane könnten in Hongkong Menschen festnehmen. Sie bezeichnen es als massiven Eingriff in die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungszone. Das geplante Gesetz wurde am Donnerstag vom chinesischen Volkskongress gebilligt.

Sicherheitsgesetz Hongkong China
Carrie Lam, Regierungschefin von Hongkong, nimmt am 26. Mai an einer Pressekonferenz teil. Lam verteidigte erneut das Sicherheitsgesetz, das den Einsatz chinesischer Sicherheitsorgane in Hongkong ermöglichen soll. - dpa

Die Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, weist die Kritik zurück. Das Gesetz richte sich gegen «eine sehr kleine Minderheit von Leuten, die sich gesetzeswidrig verhalten, terroristische Aktivitäten organisieren und daran teilnehmen, um die Staatsmacht zu unterwandern».

China stützt sich auf Hongkonger Grundgesetz

Doch das vorgesehene Gesetz hat bereits neue Proteste ausgelöst. Schon seit letztem Sommer gehen Demonstranten wöchentlich auf die Strasse, unter anderem wegen des wachsenden Einflusses Pekings.

Kein Wunder, denn im Kern der Hongkonger Autonomie steht das Grundgesetz (Basic Law) von 1997. Dieses garantiert den Bürgern Freiheiten wie Versammlungsrecht, Persönlichkeitsrechte oder freie Meinungsäusserung. Solche Freiheiten kennen sonst keine chinesischen Staatsbürger des Festlandes. Das Ganze wird oft als «ein Land, zwei Systeme» charakterisiert.

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Xi Jinping (l), Staatspräsident von China, und Li Keqiang, Ministerpräsident von China, applaudieren bei der zweiten Plenarsitzung des Nationalen Volkskongresses Chinas in der Grossen Halle des Volkes. - dpa

Eigentlich ist sogar in eben diesem Grundgesetz vorgesehen, dass die Hongkonger Regierung «von sich aus Gesetze in Kraft setzt», die jeden Akt des Hochverrats, der Abspaltung, des Aufruhrs oder der Untergrabung der chinesischen Zentralregierung verbieten. Genau so ein Gesetz versuchte sie 2003 zu verabschieden. Doch eine halbe Million Menschen ging damals auf die Strasse und sorgte dafür, dass die Stadtregierung davon absah.

Auch beim geplanten Sicherheitsgesetz stützt sich die chinesische Regierung auf das Grundgesetz von 1997, nämlich auf Artikel 18. Der ermächtigt sie, im Falle von Aufruhr oder Gefährdung der nationalen Einheit oder Sicherheit, welche die Stadtregierung nicht zu garantieren vermag, den Notstand auszurufen. Und an den Hongkonger Behörden vorbei gesamtnationales Recht zur Geltung zu bringen.

Prodemokratische Kräfte könnten bei Parlamentswahlen Einfluss ausbauen

So sollen durch das neue Gesetz Aufruhr, ausländische Einmischung und terroristische Akte in Hongkong verhindert, beendet und bestraft werden. Auch so rechtfertigte Regierungschefin Carrie Lam die Umgehung des Hongkonger Parlaments.

Proteste China Hongkong Gesetz
Der pro-demokratische Politiker Tam Tak-chi wird während eines Protests am 24. Mai von Polizisten festgenommen. Die Demonstranten kritisieren Chinas Vorstoss, nationale Gesetzgebung zur Sicherheit auch im semi-autonomen Hongkong durchsetzen zu wollen. - dpa

Gut möglich, dass Peking durch die seit letztem Sommer andauernden Proteste immer nervöser wurde. Hintergrund des Gesetzes-Vorstosses sei laut Parteikreisen in Peking auch die Einschätzung, dass bei der Parlamentswahl im September die prodemokratischen Kräfte in Hongkong ihren Einfluss ausbauen könnten. Fachleute in China gehen davon aus, dass der Ständige Ausschuss des Volkskongresses das Gesetz frühestens Ende August verabschieden wird.

Druck der EU ist gefragt

Nichtsdestotrotz ist klar, dass die chinesische Regierung mit diesem Sicherheitsgesetz das Prinzip «ein Land, zwei Systeme» ad absurdum führt. Genauso wie ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen. Das könnte zum Konflikt mit dem Westen führen.

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Im September soll ein Gipfel zwischen China und der EU stattfinden. - dpa

Die USA wollen Massnahmen gegen China treffen, doch wegen dem bereits laufenden Handelskrieg fallen sie als Verteidiger internationaler Regeln weg. Hier wäre eigentlich die EU gefragt: Im September ist ein EU-China-Gipfel geplant. Dort muss Hongkong eigentlich zum Hauptthema und China dazu aufgefordert werden, internationales Recht einzuhalten.

So oder so: Nach der Ankündigung zum geplanten Sicherheitsgesetz flammen die Unruhen in Hongkong wieder auf. Bereits am Mittwoch versammelten sich einige hundert Demonstranten, um mit Sprechchören gegen ein umstrittenes Nationalhymnen-Gesetz zu protestieren. Die Polizei löste die Demo auf und nahm nach eigenen Angaben 300 Menschen fest.

Weitere Gewalteskalationen dürften dank dem geplanten Sicherheitsgesetz folgen.

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