Spritzgurke feuert gezielt wie eine Mini-Biokanone
Ein Forschungsteam aus Kiel (D) enthüllt: Die Spritzgurke steuert ihre Explosion gezielt – mit perfektem Abschusswinkel.

Das Wichtigste in Kürze
- Forscher haben herausgefunden, dass die Mittelmeer-Spritzgurke gezielt explodiert.
- Die Frucht visiert ihre Flugbahn an, um ihre Samen möglichst weit schiessen zu können.
- Die Samen werden mit einer Geschwindigkeit von 13 Metern pro Sekunde geschossen.
Wenn sie reif ist, wird die Mittelmeer-Spritzgurke zur biomechanischen Rakete. Sobald Druck aufgebaut ist, schleudert sie ihre Samen mit bis zu 13 m/s davon.
Was aussieht wie Chaos, folgt klaren physikalischen Prinzipien. Die Frucht visiert ihre Flugbahn an, bevor sie explodiert.
Druckbombe mit Präzisionssteuerung
Die Forscher rund um Helen Gorges von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel zeigen: Diese Pflanze optimiert ihre Anatomie bis zum perfekten Schuss.
«Viele Faktoren müssen perfekt zusammenspielen, um die Samen möglichst effizient zu verbreiten», erklärt Gorges laut «Earth.com».

Die Erkenntnisse wurden vor Kurzem auf der Jahrestagung der Society for Experimental Biology in Antwerpen präsentiert.
Hochgeschwindigkeitskamera deckt Strategie auf
Die Wissenschaftler filmten die Fruchtexplosion mit 10'000 Bildern pro Sekunde. So entlarvten sie das «Spritzen» als ausgeklügelten, gelenkten Prozess.
Zuvor erstellten sie mit Mikro-CT detaillierte 3D-Modelle der Frucht. Diese zeigten, wie das Gewebe gezielt Spannung aufbaut und sich kurz vor dem Bersten verformt.
Auslöser ist ein hoher Innendruck, ähnlich wie in einem hydraulischen Speicher. Die Frucht zerreisst an einer vorher bestimmten Sollbruchstelle am Stiel der Pflanze.
Der perfekte Neigungswinkel
Ein weiterer Aha-Moment: Die Gurke richtet ihren Fruchtstiel während der Reife auf etwa 53 Grad zur Horizontalen aus.

Das entspricht beinahe exakt dem idealen Abschusswinkel unter Luftwiderstand. «Wir haben auch Bilder während der Reifung der Früchte analysiert», sagt Gorges.
Kleine Körner, grosse Leistung
So feuert die Frucht ihre Samen entlang einer fast perfekten ballistischen Flugbahn. Die Samen schiessen in geordneter Reihenfolge aus dem unteren Ende der Frucht, stets mit der Spitze voran, nach draussen.
Das reduziert Luftwiderstand und verhindert Kollisionen. Bis zu 30 Samen fliegen dann aus der Pflanze heraus, einige erreichen Distanzen von bis zu 12 Metern.
Superkleber und Soft-Robotik
Anschliessend spielt eine zweite Anpassung mit: Die Samen entwickeln eine klebrige Schicht, die sich nach der Landung verhärtet.
Das klebrige Hydrogel hilft, auf dem Boden haftenzubleiben; ideal, um das Wegspülen durch Regen zu verhindern. Zudem kann es die lokale Feuchtigkeit speichern.
Biologie als Maschinenbau-Lehrmeister
Laut «Earth.com» sehen Experten in dieser Technologie Möglichkeiten etwa für Softrobotik oder die gezielte Medikamentenfreisetzung.
Die Kieler Forscher liefern eine Blaupause für miniaturisierte Energiesysteme. Durch Nachahmung der Fruchtschale und des selbstdichtenden Hydrogels könnten neue Aktuatoren entstehen.
Sie speichern Energie sicher, bis sie ausgelöst wird.