Savant-Syndrom: Mann (54) wird nach Prügel-Attacke zum Math-Genie

«Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen», sagt ein sarkastisches Sprichwort. Was natürlich keinesfalls als ernsthafte Anleitung verstanden werden darf, hat bei einem Mann aus Washington dennoch für Erstaunliches gesorgt: Nachdem Jason Padgett aus Washington in einer Kneipe verprügelt wurde, verfügt er über beeindruckende mathematische Fähigkeiten.

Am 13. September im Jahr 2002 geht Padgett in eine Karaokebar. Das College hat er abgebrochen, mit Mathematik hat er nichts am Hut. Er arbeitet im Möbelladen seines Vaters und ist nach eigener Aussage ein «Faulenzer».

In der Bar attackieren ihn zwei Männer. Sie prügeln auf ihn ein, bis er ihnen seine Lederjacke gibt. Padgett wird ins Spital eingeliefert: Eine schwere Gehirnerschütterung und eine Nierenverletzung sind die Diagnose. Das berichtet der «Focus».

Der junge Mann darf noch in derselben Nacht nach Hause. Als er am nächsten Morgen aufwacht und ins Badezimmer geht, merkt er jedoch, dass etwas anders ist: Er ist fasziniert von dem «perpendikulär aus dem Hahn herausströmenden» Wasser. Bitte was?

Wie sich herausstellt, handelt es sich nicht um eine durch die Gehirnerschütterung bedingte Verwirrtheit. Stattdessen ist Padgett plötzlich imstande, mathematische Muster in reellen Dingen zu sehen – wie etwa den brechenden Strahlen der Sonne.

Er fängt an, Strukturen zu malen: die einer Schneeflocke, die eines Laubblattes. Später findet er heraus, dass es sich dabei um sogenannte Fraktale handelt: Sich wiederholende Strukturen, bei denen das Ganze seinen geometrischen Bestandteilen ähnelt.

Padgett realisiert schliesslich, dass er unter dem Savant-Syndrom, beziehungsweise der Inselbegabung, «leidet». Weltweit gibt es nur 100 Menschen, die in bestimmten Bereichen ohne Vorkenntnisse besondere Begabungen entwickeln.

So zum Beispiel der augenlose und unter zerebraler Lähmung leidende Leslie Lemke: Im Alter von 14 Jahren begann der Komponist, mitten in der Nacht ohne vorhergegangenen Unterricht Klavierstücke nachzuspielen. Etwa 1000 Musikstücke spielt er aus dem Gedächtnis und fiel als junges Kind damit auf, Gespräche vollständig wiedergeben zu können.

Als Ursache für das Savant-Syndrom werden durch Schäden verursachte veränderte Abläufe im Gehirn vermutet. In der Forschung stellt sich die Frage, ob es generell möglich wäre, Fähigkeiten zu erlangen, die nicht bewusst angeeignet wurden.

Für Padgett steht jedenfalls fest, dass er sein altes Leben hinter sich gelassen hat. Heute hält der 54-Jährige Vorträge und verkauft seine Kunstwerke.