Bei den schwersten politischen Unruhen seit der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China sind in Hongkong mindestens 70 Menschen verletzt worden.
Polizisten und Protestler am Mittwoch in Hongkong
Polizisten und Protestler am Mittwoch in Hongkong - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Parlament verschiebt zweite Lesung von umstrittenem Abschiebegesetz.

Das berichtete der Rundfunksender RTHK unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden am Mittwoch. Zehntausende Menschen blockierten aus Protest gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz Hauptverkehrsstrassen und das Regierungsviertel, es kam zu Zusammenstössen mit der Polizei. Eine für Mittwoch angesetzte zweite Lesung des Gesetzentwurfs im Hongkonger Legislativrat wurde verschoben.

Die Peking-treue Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam sprach im Zusammenhang mit den Protesten von «organisierten Krawallen». Die «Randale» schade der «friedlichen Gesellschaft» und sei «inakzeptabel für jede zivilisierte Gesellschaft», sagte sie in einer Videobotschaft.

Schon in der Nacht hatten rund 2000 Demonstranten Mahnwachen abgehalten. Am Morgen trugen Demonstranten dann Absperrgitter auf die Strassen und banden sie zusammen.

Am Nachmittag kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, als Demonstranten versuchten, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Sie durchbrachen die Polizeiabsperrungen vor dem Legislativrat und griffen Polizisten mit Metallteilen und anderen Wurfgeschossen an. Die Polizei drängte die Demonstranten zunächst mit Schlagstöcken und Pfefferspray zurück und setzte später auch Tränengas, Gummigeschosse und Schrotbeutel ein.

Bereits am Sonntag hatten in Hongkong hunderttausende Menschen gegen das geplante Auslieferungsgesetz demonstriert. Die Organisatoren sprachen von mehr als einer Million Teilnehmern. Es war die grösste Demonstration seit der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China im Jahr 1997.

Die EU erklärte am Mittwoch, das Recht der Hongkonger «sich zu versammeln und sich frei und friedlich auszudrücken», müsse respektiert werden. Alle Seiten sollten «Zurückhaltung üben», hiess es in einer Mitteilung. US-Präsident Donald Trump sagte in Washington, er verstehe den Grund für die Proteste und hoffe, dass sich alles klären werde.

Der britische Aussenminister Jeremy Hunt forderte die Regierung Hongkongs auf, sich die «Sorgen» der Hongkonger Bürger und ihrer «Freunde in der internationalen Gemeinschaft» anzuhören und sich die Zeit zu nehmen, über die «umstrittenen Massnahmen» nachzudenken.

Bislang sieht Hongkong von Auslieferungen an Festlands-China ab, weil Chinas Justizsystem wenig transparent und die Verhängung der Todesstrafe weit verbreitet ist. Die Regierung der Sonderverwaltungszone beteuert zwar, dass China-Kritiker auch unter den geplanten neuen Regelungen nicht ausgeliefert würden. Viele Menschen in Hongkong trauen diesen Zusagen aber nicht.

Das Auswärtige Amt in Berlin will derweil prüfen, ob das bestehende bilaterale Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und Hongkong im Falle einer Verabschiedung des neuen Gesetzes «in der jetzigen Form weiterhin durchgeführt werden könnte». Gemeinsam mit EU-Partnern habe man der Hongkonger Regierung gegenüber Bedenken hinsichtlich einer Erosion der Rechtsstaatlichkeit und der Autonomie ausgedrückt, sagte eine Sprecherin in Berlin.

Hongkongs Regierungschefin Lam erklärte, trotz der Massenproteste werde an dem Gesetzesvorhaben festgehalten. Die geplante zweite parlamentarische Lesung im Legislativrat wurde aber «auf einen späteren Zeitpunkt» verschoben. Die Demonstranten wollen die Proteste so lange fortsetzen, bis die Regierung das Gesetz endgültig zurückzieht. «Ich werde weiterkämpfen», sagte der 20-jährige Demonstrant Kevin Leung der Nachrichtenagentur AFP.

Bei der Rückgabe an China hatte Peking Hongkong unter der Formel «Ein Land, zwei Systeme» für 50 Jahre weitreichende innere Autonomie zugesagt. In Hongkong gelten daher Grundrechte, die den Bürgern der Volksrepublik vorenthalten werden, etwa Meinungs- und Pressefreiheit. Die Opposition wirft Peking jedoch vor, sich zunehmend in Hongkongs Angelegenheiten einzumischen und damit die Autonomievereinbarungen auszuhöhlen.

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