Der Mord an Präsident Jovenel Moïse schockiert Haiti. Die Lage des Karibikstaats sei unter Kontrolle, dennoch herrscht Ungewissheit.
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Jovenel Moïse, Präsident von Haiti, spricht während eines Interviews in seinem Büro. Moïse ist in der Nacht zu,m 7. Juli in seiner Residenz überfallen und tödlich verletzt worden. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Mittwoch wurde der haitianische Präsident Jovenel Moïse ermordet.
  • Bisher wurden vier mutmassliche Täter getötet und zwei weitere verhaftet.
  • Die Ehefrau des Präsidenten wurde nach Miami gebracht.

Nach der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse wurden nach Angaben der Polizei vier mutmassliche Täter getötet und zwei festgenommen. Die Hintergründe des Attentats blieben zunächst jedoch unklar – ebenso wie die Nachfolge des Staatschefs.

Die Regierung des Karibikstaates rief am Mittwoch jeweils 15 Tage Belagerungszustand und Staatstrauer aus. Aussenminister Claude Joseph unterzeichnete beide Erlasse am Mittwoch als Übergangs-Premierminister. Moïse hatte am Montag Ariel Henry zu Josephs Nachfolger im Amt des Regierungschefs ernannt. Henry war aber bislang nicht vereidigt worden.

Ehefrau nach Miami gebracht

Unbekannte waren in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in die Residenz des 53-jährigen Staatschefs eingedrungen. Anschliessend hatten sie ihn im Vorort der Hauptstadt Port-au-Prince erschossen.

Seine Ehefrau Martine wurde verletzt und zur Behandlung in die rund 1000 Kilometer entfernte US-Stadt Miami gebracht. Das sagte Haitis Botschafter in den USA, Bocchit Edmond, internationalen Medien. Die Angreifer seien nach ersten Erkenntnissen Ausländer gewesen, die sich als Angehörige der US-Anti-Drogenbehörde DEA ausgegeben hätten.

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Der ermordete Präsident Jovenel Moïse und seine Frau. (Archivbild) - keystone

Laut der Botschaft in Washington handelte es sich um einen wohl koordinierten Angriff einer gut ausgebildete und schwer bewaffnete Gruppe. Joseph sagte in einer Ansprache an die Nation, die Täter hätten Englisch und Spanisch gesprochen. Haitianisches Kreol und Französisch sind Haitis Amtssprachen.

Lage in Haiti sei unter Kontrolle

Joseph rief dazu auf, die Ruhe zu bewahren – die Lage sei unter Kontrolle. Der Flughafen von Port-au-Prince wurde vorübergehend geschlossen. Berichten zufolge waren die Strassen am Mittwoch ungewöhnlich leer, immer wieder waren allerdings Schüsse zu hören. Der Belagerungszustand erlaubt es der Regierung unter anderem, das Militär für Polizeiaufgaben einzusetzen und Bürgerrechte einzuschränken.

Haiti – das ärmste Land des amerikanischen Kontinents – steckte schon zuvor in einer tiefen politischen Krise. Eine für Oktober 2019 vorgesehene Parlamentswahl war unter anderem wegen heftiger Proteste gegen Moïse ausgefallen. Seit Januar 2020 gibt es kein handlungsfähiges Parlament mehr – Moïse regierte seither per Dekret.

Weder Henry noch Joseph und dessen Vorgänger Joseph Jouthe konnten daher verfassungsgemäss als Regierungschef bestätigt werden. Auch der Oberste Gerichtshof ist geschwächt – der vorsitzende Richter René Sylvestre starb vor wenigen Wochen.

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Ein Sicherheitsagent bewacht die Umgebung der Residenz des ermordeten haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse. - keystone

Am 26. September stehen in Haiti Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum an. Mit dem Referendum wollte Moïse die Rolle des Staatschefs stärken.

Telefon mit US-Aussenminister Blinken

Joseph telefonierte am Mittwoch mit US-Aussenminister Antony Blinken, wie beide Seiten bekanntgaben. Joseph versprach dabei einen Dialog mit den Anführern der Opposition. Damit sollen für Ruhe zu gesorgt und die Wahlen nach dem bisherigen Zeitplan durchgeführt werden.

Er traf sich nach Angaben seines Büros ausserdem mit Vertretern der sogenannten Kerngruppe der internationalen Gemeinschaft in Haiti. Joseph versicherte ihnen demnach, dass durch seine Führung des Ministerrates das Funktionieren des Staates gewährleistet sei. Zudem habe er die Lage unter Kontrolle.

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US-Aussenminister Antony Blinken in Grönland - POOL/AFP

Wiederholte Proteste gegen Moïse

Viele Vertreter der Opposition waren der Ansicht, Moïses Amtszeit endete im Februar. Moïse erklärte daraufhin am 7. Februar, es habe einen Putschversuch und einen Mordkomplott gegen ihn gegeben, und verkündete 23 Festnahmen. Darunter war ein Richter am Obersten Gerichtshof.

Die Präsidentenwahl von 2015 war wegen Betrugs annulliert und Moïse erst nach einer Neuwahl ein Jahr später vereidigt worden. Die fünfjährige Amtszeit des Bananenunternehmers der konservativen «Kahlkopf»-Partei endet daher aus seiner Sicht erst im kommenden Februar. Diese Ansicht teilt auch die noch immer einflussreiche, frühere Besatzungsmacht USA.

Proteste gegen Moïse haben Haiti in den vergangenen drei Jahren immer wieder lahmgelegt. Ihm wurden Korruption und Verbindungen zu gewalttätigen Banden vorgeworfen. Nach UN-Zahlen wurden seit Anfang Juni mehr als 14'700 Menschen in die Flucht getrieben. Gründe sind blutige Kämpfe solcher Banden um die Kontrolle über Teile von Port-au-Prince

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