Die Taliban haben die Kontrolle über Afghanistan übernommen. Viele Länder versuchen ihre Staatsangehörigen zu evakuieren. Die neusten Entwicklungen im Ticker.
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Der britische Ex-Premier Tony Blair bezeichnet den US-Truppenabzugsplan aus Afghanistan als «idiotisch». - AP/Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Kontrolle übernommen.
  • Mehrere Länder versuchen vom Flughafen in Kabul aus, Menschen zu evakuieren.
  • Bei einem Gefecht am Flughafen kam eine Person ums Leben, drei weitere wurden verletzt.

20.50: Trotz Gewalt und chaotischen Zuständen an den Gates zum Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul schreitet die Evakuierungsmission voran. Das Tempo der Abflüge habe sich im Vergleich zu Sonntag fast verdoppelt, schrieb der zivile Repräsentant der Nato in Afghanistan, Stefano Pontecorvo, am Montag auf Twitter. Genaue Zahlen nannte er keine.

Die USA flogen erstmals innerhalb von 24 Stunden mehr als 10'000 Menschen aus Kabul aus. Zwischen dem frühen Sonntagmorgen und dem frühen Montagmorgen hätten 28 Flugzeuge des US-Militärs rund 10'400 Menschen ausser Landes gebracht, teilte das Weisse Haus in Washington mit. Im selben Zeitraum hätten ausserdem 61 Maschinen internationaler Partner rund 5900 Menschen evakuiert.

20.20: Eine Gruppe von US-Kriegsveteranen hilft afghanischen Dolmetschern bei der Flucht. Die als «digitales Dünkirchen» bezeichnete Kampagne besteht aus einem Netzwerk von «Hunderttausenden von Menschen» und nutzt Satellitenbilder und andere Informationen, um Taliban-Kontrollpunkte zu lokalisieren.

Die Taliban haben es unter anderem auf Dolmetscher und andere Mitarbeiter der westlichen Mächte abgesehen. Der ehemalige CIA-Analyst und Afghanistan-Veteran Matt Zeller bezeichnete gegenüber «Fox News» die Dolmetscher als essenziell für die Truppen der USA während ihres Einsatzes. Sie seien die «Augen und Ohren» der USA gewesen. Viele kritisieren US-Präsident Joe Biden, dass er die Evakuierung dieser Personen nicht prioritär behandelt.

Taliban resurgence in Afghanistan
Ein Angehöriger der britischen Streitkräfte gibt einem evakuierten Kind auf dem Flughafen von Kabul während der Machtübernahme durch die Taliban eine Hand. Foto: Lphot Ben Shread/MoD/PA Wire - dpa

Zum «digitalen Dünkirchen» gehören laut Zeller nicht nur Kriegsveteranen, sondern auch andere US-Bürger wie Pastoren. «Wir haben Geheimdienstanalysten, die mit der Analyse von Satellitenbildern begannen und Produkte für die Menschen zusammenstellten, in denen sie die Taliban-Kontrollpunkte in Echtzeit mit Hilfe von Social-Media-Daten markierten, um sichere Routen zum Flughafen bereitzustellen», erklärte Zeller. Er selbst verbringe den Grossteil seiner Nächte damit, mit Dolmetschern zu kommunizieren und ihnen die neuesten Standorte der Kontrollpunkte mitzuteilen.

17.25: Bilder vom Sender «Sky News» vom Samstag zeigen, wie nahe sich britische Truppen und Wachen der Taliban beim Flughafen von Kabul kommen. Während die britischen Fallschirmjäger die Afghanen durchsuchten, die evakuiert werden möchten, patrouillierten nur wenige Meter davon entfernt auf Containern bewaffnete Taliban-Wachen.

Afghanistan Taliban
Auf den Containern patrouillieren Taliban-Wachen, während unten britische Truppen beim Flughafen in Kabul Zivilisten beschützen. - Sky News

«Daily Mail»-Quellen zufolge arbeiten die Briten und die Taliban offenbar gut zusammen und kommunizieren effektiv. Der britische Verteidigungsminister James Heappey führte die Beschleunigung des Stroms der Evakuierten durch den Flughafen sogar auf die Taliban zurück, welche die Menschenmassen in Schach hielten.

16.35: Die Nato will derzeit kein konkretes Datum für ein Ende der Evakuierungsflüge aus Afghanistan nennen. «Die Lage am Flughafen in Kabul bleibt extrem herausfordernd und unberechenbar», sagte ein Bündnissprecher am Montag in Brüssel. Gemeinsam mit alliierten Truppen werde daran gearbeitet, die Evakuierungen fortzusetzen. Derzeit verliessen täglich Dutzende Flüge Kabul.

Weitere Gespräche zum Thema wird es nach Angaben des Sprechers bei dem per Videokonferenz organisierten G7-Sondergipfel zur Lage in Afghanistan an diesem Dienstag geben.

US Afghanistan
US-Marines und norwegische Truppen helfen bei der Sicherheit an einem Evakuierungskontrollpunkt in Kabul, Afghanistan. - keystone

Der Zeitplan der USA sieht eigentlich vor, alle Truppen bis zum 31. August abzuziehen, was bedeuten würde, dass der Evakuierungseinsatz für Ausländer und durch die Taliban gefährdete Afghanen vermutlich schon Ende dieser Woche enden müsste.

14.43: Bei der Evakuierungsmission in Afghanistan haben die USA erstmals innerhalb von 24 Stunden mehr als 10'000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Zwischen dem frühen Sonntagmorgen und dem frühen Montagmorgen hätten 28 Flugzeuge des US-Militärs rund 10'400 Menschen ausser Landes gebracht, teilte das Weisse Haus am Montag in Washington mit.

Im selben Zeitraum hätten ausserdem 61 Maschinen internationaler Partner rund 5900 Menschen evakuiert. Seit dem Start der Evakuierungsmission Mitte August hätten die Vereinigten Staaten insgesamt rund 37'000 Menschen entweder selbst aus Afghanistan ausgeflogen oder deren Ausreise ermöglicht.

13.40: Frankreich hat nach Regierungsangaben «mehr als tausend Afghanen» seit der Machtübernahme der Taliban ausgeflogen. Zudem seien «fast 100 französische Staatsbürger und rund 40 Bürger aus Partnerländern» seit Mitte August von Kabul aus in Sicherheit gebracht worden, teilten das französische Aussen- und Verteidigungsministerium am Montag in einer vorläufigen Aufstellung mit.

12.55: Nach dem Feuergefecht am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul sind mindestens sechs Verletzte mit Schusswunden ins Spital gekommen. Das teilte die Nichtregierungsorganisation Emergency am Montag bei Twitter mit, die ein Spital in Kabul betreibt. Es sei aber keiner der Angeschossenen in Lebensgefahr. Seit Samstag früh seien in dem Spital 14 Schwerverletzte aufgenommen worden, 26 weitere seien notärztlich behandelt worden.

12.50: Wegen der dramatischen Situation am Flughafen Kabul und der teils blockierten Zugänge ist die deutsche Bundeswehr nun auch ausserhalb des geschützten Airports im Einsatz, um Menschen sicher zu den Evakuierungsflügen zu bringen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Montag bei «Bild TV», es sei im Moment fast nicht mehr möglich, zum Flughafen zu gelangen. «Deswegen müssen wir sehr viel stärker dazu übergehen, die Leute sozusagen abzuholen. Das tun wir.»

Schweizer Charterflug für Evakuierungen nach Usbekistan gestartet

12.05: Wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mitteilt, ist ein Charterflug der Fluggesellschaft Swiss heute Morgen von Zürich aus Richtung usbekische Hauptstadt Taschkent gestartet. Das Flugzeug soll Personen nach Europa zurückbringen, die zuvor aus Kabul evakuiert wurden.

Flugzeug Swiss
Ein Flugzeug der Swiss. (Symbolbild) - Keystone

Mit diesem Flug unterstützt die Schweiz die Luftbrücke, die die Ausreise aus Afghanistan möglich macht. Bisher konnten rund 100 Personen mit Schweizer Bezug aus Kabul ausgeflogen werden. Auch erste Lokalangestellte der DEZA mit ihren Familien konnten gestern Kabul verlassen.

Ein für Samstag 21. August angekündeter Charterflug der SWISS nach Taschkent musste wegen der prekären Situation rund um den Flughafen Kabul kurzfristig verschoben werden.

Am Sonntag konnten zum ersten Mal auch lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) mit ihren Familien ins Innere des Kabuler Flughafens gelangen. Nach EDA-Angaben handelt es sich um 70 Personen.

Die deutsche Bundeswehr flog sie über ihre Luftbrücke nach Taschkent, wo sie auf den Flug in die Schweiz warten. Zudem wurden 30 Personen mit Schweizer Bezug ausgeflogen. Das EDA arbeitet «mit Hochdruck, dass weitere Personen Kabul verlassen können».

12.00: Die Taliban haben die Widerstandsgruppe Nationale Widerstandsfront (NRF) im afghanischen Pandschirtal umstellt, suchen aber nach Angaben eines Sprechers das Gespräch und weniger die militärische Konfrontation.

Erste Schutzsuchende in Belgien eingetroffen

11.58: In zwei Flugzeugen sind am Montag erstmals 226 Schutzsuchende aus Kabul in Belgien eingetroffen. Ein AFP-Journalist berichtete, dass Familien mit Kindern auf dem Rollfeld zu vier grauen Bussen gebracht wurden. An Bord befanden sich grösstenteils afghanische Mitarbeiter von internationalen Organisationen und ihre Angehörigen.

11.55: Das UN-Kinderhilfswerk Unicef will seine Arbeit in Afghanistan ausweiten. Dazu gehörten unter anderem die Verteilung von Lebensmitteln und Trinkwasser sowie die medizinische Versorgung hunderttausender vertriebener Familien im Land, wie Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore am Montag mitteilte.

Die lebensrettenden Programme werden aufgestockt, wie sie sagte. «Wir hoffen, unsere Einsätze in Regionen ausweiten zu können, die wir bislang wegen der unsicheren Lage nicht erreichen konnten.»

Taliban warnen vor «Konsequenzen» bei Verzögerung des Truppenabzugs

11.10: Die Taliban wollen einer Verlängerung der Evakuierungsmission westlicher Staaten aus Afghanistan nicht zustimmen. Das sagte ein Sprecher der militant-islamistischen Organisation dem britischen Nachrichtensender Sky News am Montag. «Würden die USA oder Grossbritannien zusätzliche Zeit erbeten, um die Evakuierungen fortzusetzen, wäre die Antwort ein Nein», sagte Suhail Schahin, ein Mitglied der Taliban-Delegation in Doha, der Hauptstadt Katars.

Die für den 31. August festgesetzte Frist sei eine «rote Linie», so Schahin weiter. Sie zu verschieben, käme einer Verlängerung der militärischen Besatzung seines Landes gleich. Dazu gebe es keinen Grund. Er warnte vor «Konsequenzen» und fügte hinzu: «Es wird Misstrauen schaffen zwischen uns. Wenn sie vorhaben, die Besatzung zu verlängern, wird das eine Reaktion hervorrufen».

Taliban Afghanistan USA
Der Taliban Suhail Schahin warnt die USA und Grossbritannien vor einer Verlängerung der Evakuierungsmission. - Screenshot Sky News

Den grossen Andrang am Flughafen in Kabul erklärte Schahin mit dem Wunsch vieler Menschen, der Armut in Afghanistan zu entfliehen. Ängste vor Unterdrückung durch die Taliban würden als Vorwand genutzt und seien unbegründet. Berichte über Vergeltungsaktionen von Taliban-Kämpfern an Journalisten, ehemaligen Regierungsmitarbeitern und anderen vermeintlichen Kollaborateuren bezeichnete er als «Fake». Jeder Vorfall werde untersucht. Wer sich schuldig mache, werde zur Verantwortung gezogen.

US-Präsident Joe Biden hatte eine Verlängerung der Evakuierungsmission nicht ausgeschlossen, zugleich aber deutlich gemacht, er hoffe, sie werde nicht notwendig sein. Der britische Premierminister Boris Johnson will bei einem virtuellen Gipfel der G7-Staats- Regierungschefs am Dienstag bei Biden für eine Ausweitung der Frist werben.

Bekannter Journalist geflohen

10.25: Einer von Afghanistans bekanntesten Journalisten, Bilal Sarwari, hat nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban das Land verlassen. In einem auf Twitter veröffentlichten Video sagte Sarwari unmittelbar vor seinem Abflug, er und seine Familie hätten nur wenige Sachen mitnehmen können.

«Ich habe alles zurückgelassen, wofür ich seit mehr als 20 Jahren gearbeitet habe. Das ist niederschmetternd – vorsichtig formuliert.» Offen war zunächst, wo der zu Hause ausgezeichnet vernetzte Journalist künftig leben will.

Tony Blair bezeichnet US-Truppenabzug als «idiotisch»

09.50: Der frühere britische Premierminister Tony Blair hat dem Westen vorgeworfen, Afghanistan im Stich gelassen zu haben. «Das Imstichlassen von Afghanistan und seines Volkes ist tragisch, gefährlich, unnötig, nicht in ihrem Interesse und nicht in unserem», schrieb Blair in einem am Samstag auf der Website seines Instituts veröffentlichten Beitrag.

Die US-Motive für den Truppenabzug aus dem Land bezeichnete der Ex-Premier, während dessen Amtszeit Grossbritannien an der Seite der USA in den Afghanistan-Krieg gezogen war, als «idiotisch»: «Wir taten das in Gefolgschaft eines idiotischen politischen Slogans über ein Ende der «Forever Wars» – als ob unser Einsatz 2021 auch nur entfernt mit unserem Einsatz vor 20 oder zehn Jahren vergleichbar gewesen wäre.»

US-Präsident Joe Biden hatte den Begriff «Forever Wars» (etwa: ewige Kriege) im vergangenen Jahr mehrfach während des Wahlkampfs genutzt.

US Afghanistan
Ein US-Soldat übergibt einem afghanischen Kind am 20. August 2021 in Kabul ein zubereitetes Essenspaket. - keystone

Der Abzug aus Afghanistan lasse «jede Dschihadistengruppe auf der ganzen Welt jubeln», schrieb Blair weiter. Russland, China und der Iran würden ihre Vorteile aus dem Schritt ziehen. «Jeder, dem von westlichen Führern Zusicherungen gemacht werden, wird diese verständlicherweise als unsichere Währung ansehen.»

«Wären mit Trump besser dran»

Laut «Daily Mail» sollen sich zudem britische «Kabinettsinsider» abfällig über Bidens Strategie geäussert haben. Durch den schnellen Abzug der US-Truppen habe er sich als «gaga» erwiesen.

Biden Gives Updates on Hurrican Henri and Afghanistan Evacuees
US-Präsident spricht am 22. August 2021 im Weissen Haus über Hurricane Henri und Evakuierungen aus Afghanistan.. - keystone

Boris Johnson soll Biden privat wiederum als «Sleepy Joe» bezeichnet haben. Diesen hatte Trump immer wieder für den aktuellen US-Präsidenten benutzt. Laut der britischen Zeitung soll Johnson auch gesagt haben, dass Grossbritannien «mit Trump besser dran wäre». Dies wurde von der Downing Street dementiert und als «kategorisch unwahr» bezeichnet.

Gefecht am Flughafen am Montagmorgen

Am Montagmorgen ist es am Flughafen in Kabul zu einem Feuergefecht gekommen. Dabei ist eine afghanische Sicherheitskraft getötet worden. Drei weitere wurden verletzt, wie die deutsche Bundeswehr auf Twitter mitteilte. Auch deutsche und US-Soldaten sollen im Gefecht involviert gewesen sein.

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