Eine CO2-neutrale Stadt, die Kultur und Wissen fördert: Das Mega-Bauprojekt «The Line» in Saudi-Arabien klingt wie ein Traum. Ist es zu gut, um wahr zu sein?
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Der Kronprinz von Saudi-Arabien will die Zukunftsstadt Neom bauen und schreckt dafür auch nicht vor der Vertreibung von Stammesangehörigen zurück. - Neom
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kronprinz von Saudi-Arabien hat das Projekt «The Line» lanciert.
  • Die Stadt Neom soll bis 2030 in der Wüste gebaut werden – nachhaltig und revolutionär.
  • Star-Architekten haben das Konzept entworfen, doch es wirft auch einige Fragen auf.

Dürre, Hitze und kaum Vegetation: Die Wüste in Saudi-Arabien scheint kaum der ideale Ort, um eine Millionenstadt zu bauen. Doch Kronprinz Mohammed bin Salman würde widersprechen. Er will die Stadt «Neom» erschaffen, zwei riesige Wolkenkratzer, die 500 Meter hoch und 170 Kilometer lang sind.

Das Projekt nennt sich «The Line» und soll eine «zivilisatorische Revolution darstellen. Die Aussenwände des Mega-Baus sind aus Glas – was die Sonnenstrahlung spiegelt, um Hitze zu verhindern. Fortbewegen sollen sich die Bewohner in einem Hochgeschwindigkeitszug unterhalb des Gebäudes.

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Fortbewegen soll man sich per Hochgeschwindigkeitszug. - Neom

Die Kosten für dieses utopische Projekt betragen 500 Milliarden Dollar. Teilweise soll das laut dem Kronprinzen durch einen Börsengang finanziert werden. Ziel des Projekts ist unter anderem Investoren anzulocken. Seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi haben sich diese nämlich grösstenteils aus Saudi-Arabien zurückgezogen.

Umsiedlungen und Zwangsräumungen

Doch es gibt eine Kehrseite: Den Norden des Landes besiedelten bislang 20'000 Beduinen. Die saudische Menschenrechtsorganisation Alqst berichtet, dass seit 2020 tausende Menschen umgesiedelt worden seien. Stammmitglieder, die dies verweigerten, seien gewaltsam verhaftet worden.

Das Projekt «The Line».

Auch der Wüstenbewohner Abdulrahim al-Huwaiti beugte sich 2020 den Forderungen der Regierung nicht. Er wandte sich mit einem Video an die Öffentlichkeit und erzählte von Zwangsräumungen und Verhaftungen. Nun ist er wie vom Erdboden verschwunden.

Auf der Webseite von Neom ist folgendes zu lesen: «Es ist ein Versuch, etwas zu tun, was noch nie zuvor gemacht wurde. Und es kommt zu einer Zeit, in der die Welt frisches Denken und neue Lösungen braucht.» Die Stadt werde ein «ein Zuhause für Menschen, die grosse Träume haben.»

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Die Zukunftsstadt in Saudi-Arabien soll klimafreundlich sein. - Neom

Diese Aussagen bilden praktisch eine Antithese zum Menschenrechtsbericht von Amnesty International. Saudi-Arabien verhängte jährlich eine Vielzahl von Todesstrafen, Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten werden willkürlich inhaftiert und freie Meinungsäusserung wird unterdrückt.

Wie eine moderne, revolutionäre Stadt, die Kultur und Nachhaltigkeit fördern soll, in diesen Kontext passt, bleibt offen.

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