Nach der Inhaftierung von Alexej Nawalny gehen die Proteste weiter. Die russischen Einsatzkräfte gehen hart dagegen vor und verhaften zahlreichen Menschen.
Russland
Polizisten stehen Wache vor der Fortsetzung des Prozesses gegen den russischen Oppositionsführer Nawalny vor dem Babuskinsky Bezirksgericht. - sda - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Anfangs Woche wurde Kreml-Kritiker Alexej Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
  • Danach gingen tausende Anhänger auf die Strasse, um für seine Freilassung zu protestieren.
  • Die Polizei geht dabei gewaltsam gegen die Aktivisten vor und nimmt zahlreiche fest.

Russische Einsatzkräfte sind nach den Massenprotesten gegen die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny erneut gewaltsam gegen regierungskritische Aktivisten vorgegangen.

In St. Petersburg und in der Pazifik-Metropole Wladiwostok gab es mehrere Festnahmen und massenhafte Hausdurchsuchungen. Dies war in mehreren unabhängigen Portalen im Internetkanal Telegram zu lesen und auf Fotos und Videos zu sehen.

Allein in St. Petersburg gab es 30 Einsätze, wie die Polizei mitteilte. Aber auch in Nowosibirsk und anderen Städten wurden Unterstützer Nawalnys unter anderem bei Mahnwachen festgenommen, wie das Menschenrechtsportal ovdinfo.org am Sonntag berichtete.

Alexej Nawalny
Dieses vom Moskauer Gericht zur Verfügung gestellten Foto zeigt den russischen Oppositionsführer Alexej Nawalny im Gerichtssaal. Der Kremlgegner Alexej Nawalny wird wie erwartet durch ein Moskauer Gerichtsurteil für Jahre politisch kalt gestellt. - dpa

In St. Petersburg waren viele Strassen am Samstag über Stunden mit Absperrgittern abgeriegelt. Die Lage ähnele einer Stadt im Ausnahmezustand, die sich auf einen Überfall vorbereite, berichtete das örtliche Nachrichtenportal fontanka.ru.

Es standen Hunderte Polizisten sowie Spezialtechnik bereit. Der Grund für das ungewöhnlich starke Sicherheitsaufgebot sei unklar, hiess es.

Betroffen war auch die Prachtstrasse Newski Prospekt. Medien kritisierten, dass niemand bei der Stadt, den Sicherheitsbehörden oder beim Gouverneur die Verantwortung für die Sperrungen übernehmen wollte. Der Petersburger Abgeordnete Boris Wischnewski erstattete Anzeige wegen grundloser Behinderung des öffentlichen Lebens.

Nawalny: «Bleibt frei!»

Zwar hatte es zuletzt auch in St. Petersburg Demonstrationen für die Freilassung Nawalnys gegeben. Das Team des Oppositionellen erklärte angesichts der mehr als 10'000 Festnahmen und wegen überfüllter Gefängnisse, vorerst auf Proteste zu verzichten.

«Bleibt frei!», hatte Nawalny bei Instagram mitteilen lassen.

Proteste
Mitglieder der russischen Nationalgarde versammeln sich auf dem Roten Platz, um eine Protestkundgebung zu verhindern. - dpa

Für Entsetzen sorgte der Fall eines stummen Mannes, der an Protesten in St. Petersburg teilgenommen und Parolen geschrien haben soll. Ein Gericht habe den Schwerbehinderten, der auch kaum hören könne, nach seiner vorübergehenden Festnahme zu einer Geldstrafe verurteilt. Das berichtete das Menschenrechtsportal Apologija Protesta.

Vielerorts beschlagnahmten die Beamten bei den Razzien Technik und Mobiltelefone. Anwälte kritisierten, dass sich die maskierten Einsatzkräfte teils weder vorgestellt noch etwas zu den Vorwürfen gesagt hätten.

Festnahme-Videos zur Abschreckung

In Wladiwostok im äussersten Osten des Landes wurde der Journalist Gennadi Schulga bei sich zuhause festgenommen. Er wurde vor einem Fressnapf für Haustiere mit dem Kopf auf den Boden gedrückt. Die Polizei veröffentlichte das Video ohne Zustimmung Schulgas – als Abschreckung für Andersdenkende im Land, wie Kommentatoren meinten.

Das russische Staatsfernsehen reagierte auf einen viel diskutierten Folterverdacht. Die Aktivistin Aljona Katajewa hatte unter Tränen im unabhängigen Internet-TV-Kanal Doschd erzählt, sie sei nach ihrer Festnahme am 2. Februar nachts in einer Polizeistation getreten und mit einem Elektroschocker bedroht worden.

Als ihr eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt worden sei, habe sie die Kontakte und Nachrichten auf dem Smartphone herausgegeben. Der Kremlpropagandist Wladimir Solowjow liess unwidersprochen verbreiten, dass Plastiktüten mitunter das «beste Mittel» seien, um Menschen mit Atemproblemen zu helfen.

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