Haitis politische Krise nach der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse verschärft sich durch einen Machtkampf. Nachdem der Senat am Freitag seinen bisherigen Präsidenten Joseph Lambert zum Übergangs-Staatschef gewählt hatte, wurde dessen für Samstag geplante Vereidigung verschoben - damit alle Senatoren dabei sein können, wie Lambert twitterte. Seit dem Attentat in der Nacht zum Mittwoch führt Interims-Premierminister Claude Joseph die Regierung, obwohl Moïse kurz vor seinem Tod bereits den Ex-Minister Ariel Henry zu dessen Nachfolger ernannt hatte. Der Senat ist derzeit nicht beschlussfähig.
Jovenel Moïse
Jovenel Moïse - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Josephs Regierung hat die USA gebeten, Truppen zu schicken.

Die tun das bisher nicht. Die Bitte werde analysiert, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Samstag der «New York Times». Die Übergangsregierung des Karibikstaates hatte nach Angaben von Wahlminister Mathias Pierre die Ex-Besatzungsmacht USA gebeten, mit Truppen Infrastruktur zu sichern.

In dem ärmsten Land des amerikanischen Kontinents, das sich die Karibikinsel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt, sind nur noch 10 von 30 Senatsposten besetzt. Nachdem eine Wahl ausgefallen war, ist das Parlament seit 2020 nicht mehr beschlussfähig. Mehrere politische Parteien und Bewegungen sprachen sich in einem gemeinsamen Schreiben allerdings für Lambert als Interims-Staatschef aus. Interims-Premierminister und damit Regierungschef soll demnach der Neurochirurg und frühere Innenminister Ariel Henry werden. Den hatte Moïse am Montag zum siebten Premier seiner Amtszeit ernannt.

Nach dem Attentat fiel Henrys Vereidigung aber zunächst aus und Joseph, der auch Aussenminister ist, blieb im Amt. In einem Interview der Zeitung «Le Nouvelliste» sagte Henry, seiner Ansicht nach sei er Premierminister - nicht Joseph. Er wolle den Weg für einen demokratischen Machtwechsel ebnen, schrieb Lambert auf Twitter. Für den 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen geplant. Joseph hat erklärt, an dem Termin festhalten zu wollen.

Der 53 Jahre alte Staatschef Moïse war in seiner Residenz überfallen und erschossen worden. Seine Ehefrau Martine wurde schwer verletzt und zur Behandlung in die USA gebracht. Nach Angaben der haitianischen Polizei führten 28 ausländische Söldner, die sich als Anti-Drogen-Agenten der USA ausgaben, den Mord aus: 26 Kolumbianer und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft. Bisher wurden demnach 20 Tatverdächtige festgenommen und drei getötet. Kolumbiens Führung hat 13 Ex-Soldaten als mutmasslich Beteiligte identifiziert. Die Hintergründe der Tat waren unklar.

Eine Frau, bei der es sich um die Schwester eines der getöteten Südamerikaner handeln soll, sagte am Samstag dem kolumbianischen Sender Caracol Radio, ihr Bruder sei angeheuert worden, um Haitis Präsidenten zu beschützen.

Erstmals nach dem Attentat meldete sich die Präsidentengattin am Samstag mit einer Audio-Botschaft zu Wort, die über ihr Twitter-Konto veröffentlicht wurde. Sie sei Gott sei Dank am Leben, Söldner hätten ihr ihren Mann nach 25 gemeinsamen Jahren aber in einem Wimpernschlag genommen. Seine Gegner hätten diese angeheuert, weil er für Strassen, Wasser, Strom und ein Verfassungsreferendum gekämpft habe.

Proteste gegen Moïse, der seit 2017 im Amt war, hatten Haiti zuletzt immer wieder lahmgelegt. Ihm wurden Korruption, Verbindungen zu brutalen Banden und autokratische Tendenzen vorgeworfen. Im Februar ernannten Oppositionsparteien einen Übergangspräsidenten, weil aus ihrer Sicht Moïses Amtszeit abgelaufen war. Zuletzt trieben blutige Kämpfe zwischen Banden um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt mehr als 14 000 Menschen in die Flucht.

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