Die israelische Armee befeuert nach einem Teilabzug die Spekulationen um einen möglichen Angriff auf Rafah im Süden des Küstenstreifens.
Chan Junis
Palästinenser inspizieren die Schäden an den zerstörten Gebäuden in Hamad City nach dem israelischen Angriff auf Chan Junis. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Überraschend hatte Israel am Sonntag einen Teil seiner Truppen in Chan Junis abgezogen.
  • Dies könnte offenbar auf eine bevorstehende Einigung einer Feuerpause hinweisen.
  • Israel machte aber bereits klar, dass der Krieg noch lange nicht vorbei sei.
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Die Truppen hätten nach Zerschlagung der militärischen Strukturen der islamistischen Hamas in Chan Junis die lange umkämpfte Stadt verlassen, «um sich auf ihre künftigen Missionen vorzubereiten, einschliesslich in Rafah», sagte Verteidigungsminister Joav Galant am Sonntag.

Dies könnte auf eine bevorstehende Einigung bei den neuen Verhandlungen in Kairo über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln hindeuten, schrieb die israelische Zeitung «Haaretz».

Glauben Sie, dass im Gaza-Krieg bald eine Feuerpause ausgehandelt wird?

In dem Fall werde eine Offensive auf Rafah für die Dauer der Feuerpause ausbleiben. Doch selbst wenn es keine Einigung geben sollte, werde es mit ziemlicher Sicherheit noch eine Weile dauern, bis Israels Armee in Rafah vorgehe, schrieb die Zeitung.

Israels Generalstabschef: sind weit davon entfernt, aufzuhören

Genau sechs Monate nach Beginn des Gaza-Krieges hatte Israels am Sonntag überraschend einen Teil seiner Truppen aus Chan Junis abgezogen. Kurz darauf machten sich die ersten Palästinenser laut israelischen Medienberichten auf, dorthin zurückzukehren. Nach monatelangem Bombardement und schweren Kämpfen zwischen israelischen Truppen und Kämpfern der islamistischen Hamas liegt ein Grossteil des Gebiets in Trümmern.

Israels Generalstabschef Herzi Halevi machte derweil deutlich, dass ein Ende des Krieges noch lange nicht in Sicht ist. «Der Krieg in Gaza dauert an, und wir sind weit davon entfernt, aufzuhören», sagte Halevi am Sonntag. Ranghohe Funktionäre der Hamas hielten sich in dem abgeriegelten Küstengebiet weiter versteckt. «Wir werden sie früher oder später erreichen.»

ARCHIV - Israels Generalstabschef Herzi Halevi im Archivbild. Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa
ARCHIV - Israels Generalstabschef Herzi Halevi im Archivbild. Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Maya Alleruzzo

«Wir werden keine Hamas-Brigaden aktiv lassen – in keinem Teil des Gazastreifens», sagte Halevi. Die Zeit werde kommen, in der die Hamas nicht länger das Küstengebiet kontrolliere und die Sicherheit Israels bedrohe, sagte auch Verteidigungsminister Galant.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat immer wieder erklärt, dass hierzu ein Einmarsch in Rafah und die Zerschlagung der dort verbliebenen letzten Bataillone der Hamas unerlässlich sei. In der an Ägypten grenzenden Stadt suchen derzeit mehr als eine Million Palästinenser auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen.

Bericht: Noch keine Vorbereitungen für Evakuierungen in Rafah

Die USA und Deutschland haben Israel wiederholt vor einer grossangelegten Bodenoffensive in Rafah gewarnt. US-Präsident Joe Biden hatte Netanjahu klargemacht, dass ein Einmarsch dort ohne vorherige Evakuierung der Zivilisten eine «rote Linie» für ihn wäre. Israels Armee kündigte an, für die Menschen aus Rafah weiter nördlich «humanitäre Inseln» zu schaffen. Vorbereitungen dafür gebe es aber noch gar nicht, schrieb «Haaretz». Möglich sei denn auch, dass keine dieser Entwicklungen über die kommenden Wochen oder Monate hinweg eintrete. Dies würde nur einem dienen: Netanjahu, schrieb die israelische Zeitung weiter.

Ein zerstörtes Haus in Rafah. (Archivbild)
Ein zerstörtes Haus in Rafah. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/EPA/HAITHAM IMAD

Nach Einschätzung amerikanischer und israelischer Beamter glaube Israels zunehmend unter Druck stehender Ministerpräsident, dass ein sich in die Länge ziehender Krieg im Gazastreifen seine Chancen erhöhe, an der Macht zu bleiben, berichtete auch das Nachrichtenportal «Axios». In einer Kabinettssitzung sagte Netanjahu am Sonntag einmal mehr, Israel sei «einen Schritt vom totalen Sieg entfernt». Solange der Krieg andauere, seien Neuwahlen, die Netanjahu um sein Amt bringen könnten, weniger wahrscheinlich, hiess es in dem «Axios»-Bericht. «Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Chancen hat er, sich politisch zu erholen.»

CIA-Chef und Hamas-Vertreter in Kairo zu Gesprächen über Waffenruhe

Unterdessen sind am Sonntag in Kairo die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, wieder aufgenommen worden. Zu diesem Zweck reisten CIA-Direktor William Burns und eine Delegation der Hamas in die ägyptische Hauptstadt. Am Sonntagabend traf auch der katarische Ministerpräsident und Aussenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani ein. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, soll israelischen Berichten nach ebenfalls teilnehmen. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter wollen einen Durchbruch in den seit Wochen festgefahren Verhandlungen herbeiführen.

Da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander reden, treten die USA, Katar und Ägypten als Vermittler auf. Im Laufe einer einwöchigen Feuerpause Ende November vergangenen Jahres liess die Hamas 105 Geiseln im Austausch gegen 240 palästinensische Häftlinge frei. Knapp 100 der Geiseln, die nach dem Terrorüberfall der Hamas vom 7. Oktober nach Gaza verschleppt wurden, dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.

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