Im Herbst ist es zu einer neuen Eskalation im Israel-Gaza-Krieg gekommen. Das sorgt auch in der Schweiz für Konflikte. Wie kann man dem entgegenwirken?
Israel-Gaza-Krieg
Auch in der Schweiz hat der Israel-Gaza-Krieg mehr muslimen- und judenfeindliche Stimmung verursacht. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Konflikt im Nahen Osten hat auch einen spürbaren Effekt auf die Diaspora.
  • Für ein friedliches Zusammenleben sind mehrere Faktoren entscheidend.
  • Auch Medien spielen in der Schweiz eine Rolle für den Dialog zwischen den Gruppen.
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Während sich die Lage im Israel-Gaza-Krieg zugespitzt hat, sind die Spannungen in der Schweiz und auch gestiegen. Sowohl der Antisemitismus als auch die Muslimfeindlichkeit haben in der Bevölkerung zugenommen. Jüngst schockierte der Angriff eines 15-jährigen Muslimen auf einen 50-jährigen Juden in Zürich die Schweiz.

Als Reaktion auf diese Tat schlossen sich muslimische und jüdische Menschen in Zürich am 10. März zusammen, um gegen Gewalt und Hass einzustehen. Es ist klar zu beobachten, dass der internationale Konflikt auch in der Schweizer Diaspora wirkt.

In der Regel versteht man unter Diaspora eine Gruppe von Menschen, die unfreiwillig in fremde Regionen zerstreut wurden. Eine Diaspora kann durch Kultur, Religion, Ethnie, Geschichte, Sprache oder Herkunftsland verbunden sein.

Menschen werden im Israel-Gaza-Krieg von Propaganda beeinflusst

Karin Mykytjuk, Co-Geschäftsleiterin im Berner Haus der Religionen, sieht, dass Menschen in der Diaspora verantwortlich gemacht werden: «Es werden politische Handlungen der vermeintlichen Herkunftsländer auf Personen in der Diaspora überstülpt, die sie meist gar nicht teilen. Ja, von denen sie teils sogar davor geflohen sind.»

Johannes Ullrich, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Zürich, betont die Macht der Kriegspropaganda für die Diaspora: «In einem Krieg gibt es nur Freund oder Feind, Gut oder Böse.» Nicht nur direkt vom Israel-Gaza-Krieg betroffene Menschen, auch die unbeteiligte Bevölkerung werde davon auch beeinflusst.

Einen friedlichen Umgang finden

«Es ist sozialpsychologisch ein alltägliches Phänomen, dass wir uns auf die eine oder andere Seite stellen. Dass wir also stereotypisch denken im Sinne eines ‹wir› und ‹die anderen›», sagt Ullrich. Für den friedlichen Umgang sei es wichtig, nicht in Stereotypen zu denken.

Muslime
Muslime beten im Gebetsraum des Hauses der Religionen – Dialog der Kulturen in Bern.
Mahnwache
Am 3. März 2024 gab es eine Mahnwache gegen Antisemitismus in Zürich.
Muslime
Um ein Zusammenleben in Frieden ist ein Dialog nötig.

In Kriegszeiten sei es für Menschen in der Diaspora manchmal eine grosse persönliche Herausforderung, den Frieden zu wahren, so Mykytjuk: «Menschen in der Diaspora können versuchen, Menschen, die sie der Gegenpartei zuordnen, nicht für Handlungen verantwortlich zu machen, die in der Herkunft vom Staat geschehen.»

Johannes Ullrich plädiert darauf, schwierige Gefühle auf beiden Seiten zuzulassen, ohne gleich dagegen anzukämpfen: «Das Problem lautet Opferkonkurrenz. Als ob nur eine Seite Anspruch hätte auf menschlich nachvollziehbare Emotionen. Wenn Kriegsparteien sich gegenseitig Leid zufügen, sind negative Emotionen und Einstellungen verständlich, egal auf welcher Seite.» Damit liessen sich auch grundlegende Gemeinsamkeiten finden.

Was kann die Schweiz tun?

Johannes Matyassy, Präsident vom Haus der Religionen, sieht auch eine Mitverantwortung bei den Medien. Diese sollten nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer giessen, sondern den Dialog und das gegenseitige Verständnis fördern.

Die Schweiz ist laut Matyassy ein Ort, an dem es für die Diaspora gut möglich wäre, sich auszudrücken. Dies liege am regen politischen Diskurs: «Im Rahmen der direkten Demokratie sind wir uns Differenzen gewohnt.»

Zudem betont Karin Mykytjuk, dass die Teilhabe in der ganzen Gesellschaft wichtig ist. Beziehungen und Vernetzungen zwischen verschiedenen Teilen der Bevölkerung müssten gepflegt werden. Der Dialog müsste genutzt werden.

Wie wichtig sehen Sie den Dialog für ein friedliches Zusammenleben?

Wichtig sei zudem, Randerscheinungen nicht mit der Mehrheit zu verwechseln, so Mykytjuk: «Personen, die demonstrieren, sind oft in der Minderheit und repräsentieren nicht die Meinungen ganzer Gruppen.»

Ethnografin Sandra King-Savic von der HSG sieht zudem eine Chance in der Schulbildung: «Dabei scheint mir wichtig, dass Schüler und Schülerinnen beispielsweise mit Zeitzeugen sprechen, dass Museen und Ausstellungen besucht werden. Oder dass Stadtrundgänge an Erinnerungsorte unternommen werden, um soziale und historische Begebenheiten real, fühlbar und erfahrbar zu machen.»

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