Zwei Monate nach dem Militärputsch im Niger sieht sich die ehemalige Kolonialmacht Frankreich gezwungen, ihre Truppen aus dem westafrikanischen Land abzuziehen.
Frankreich Niger
Französische Soldaten in Niamey. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das Ende der militärischen Zusammenarbeit mit dem Niger verkündet. - Jerome Delay/AP

Frankreich zieht ihre Truppen aus dem Niger ab. Damit schwindet ihr Einfluss in der Region weiter. Bis Jahresende sollen die etwa 1500 französischen Soldaten aus dem westafrikanischen Land heimkehren, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Sonntagabend ankündigte.

Auch die Bundeswehr hat im Niger Soldaten. Was der Abzug der französischen Truppen für sie bedeutet, ist noch unklar. «Wir warten jetzt erstmal die weitere Entwicklung ab», sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag.

Der Lufttransportstützpunkt in Niamey mit seinen 100 deutschen Soldaten habe Bedeutung für den Abzug aus dem angrenzenden Mali, sagte er. «Wir beobachten. Wir bleiben am Ball. Wir haben die Sicherheit im Auge.

General Abdourahmane Tchiani
General Abdourahmane Tchiani spricht zur nigrischen Bevölkerung. Er erklärte sich zum Präsidenten des Nationalen Rats. - Uncredited/ORTN/AP/dpa

Wir sehen jetzt aktuell, Tag heute, keinen Handlungsbedarf.» Noch stehe auch eine Entscheidung der US-Regierung aus, wie diese sich bezüglich ihrer im Niger stationierten Truppen verhalten werde.

Ende Juli hatte im Niger das Militär um den neuen Machthaber General Abdourahamane Tiani den Präsidenten Mohamed Bazoum abgesetzt. Unter anderem die Ex-Kolonialmacht Frankreich, die EU, die USA, die Afrikanische Union sowie Nachbarstaaten fordern die Rückkehr zur verfassungsmässigen Ordnung.

Grosse Uranvorkommen im Land

Das Land mit rund 26 Millionen Einwohnern war der letzte demokratische Verbündete der USA, Frankreichs und anderer europäischer Länder im Anti-Terror-Kampf in der Region, wo sich die Dschihadisten immer weiter ausbreiten. Für Frankreich spielten auch die grossen Uranvorkommen des Landes eine wichtige Rolle. Durch den Niger führt auch eine zentrale Migrationsroute über Libyen nach Europa.

Der Rückzug war für Frankreich möglicherweise der einzige Weg aus der Sackgasse, in die es durch den Staatsstreich im Niger geraten war. Die Militärzusammenarbeit kam zum Erliegen, die Putschisten kündigten sie sodann einseitig auf und forderten auch den Abzug des französischen Botschafters. Frankreich wurde zwar nicht müde zu erklären, dass Bazoum noch immer der legitime Machthaber sei und es die Forderungen der Putschisten nicht anerkenne, befand sich aber dennoch in einer festgefahrenen Situation. «Wir sind nicht da, um auf eine Art Geiseln der Putschisten zu sein», sagte Macron.

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ARCHIV - Nach dem Militärputsch im Niger wird ein französischer Botschafter nach Angaben von Präsident Emmanuel Macron als «Geisel» gehalten. Foto: Christophe Ena/AP Pool/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Christophe Ena

Neu ist die Situation für die Franzosen nicht. Sie waren bereits nach Militärputschen im benachbarten Mali und Burkina Faso aus den Ländern gedrängt worden. Der Abzug aus dem Niger bedeutet einen weiteren Einflussverlust Frankreichs – und das, obwohl die ehemalige Kolonialmacht nach der bitteren Erfahrung in Mali versuchte, im Niger verstärkt auf die Bedürfnisse vor Ort einzugehen.

Tatsächlich hatte sich die Sicherheitslage im Niger zuletzt als einzigem der drei Länder etwas verbessert. In Mali dagegen verschlimmerte sich seit dem Einsatz russischer Söldner der islamistische Terror nur weiter. Doch eine jahrelange Gewaltspirale hat bei der Bevölkerung der Staaten grosses Misstrauen ausgelöst. Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Ex-Kolonialmacht sorgt für Frust.

Russische Fahnen bei Demonstrationen

Dazu kommt Propaganda aus Moskau, dass die antifranzösische Stimmung aus Eigeninteresse verstärkt. Bei Demonstrationen in der nigrischen Hauptstadt Niamey gegen die Präsenz der Franzosen sind auch russische Fahnen zu sehen.

«Es ist positiv, dass Macron verstanden hat, dass der Abzug französischer Truppen unausweichlich war», sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing. «Die Putschisten hatten ihre Legitimität aus einer Kampagne gegen die französischen Truppen und den Botschafter aus Paris gezogen. Das entfällt jetzt.»

Die Junta in Niamey feierte die Ankündigung als «neuen Schritt hin zur Souveränität des Niger». «Imperialistische und neokolonialistische Kräfte sind nicht mehr willkommen auf unserem nationalen Territorium», hiess es am Sonntag.

Niamey
Demonstration in Nigers Hauptstadt Niamey vergangene Woche nach dem Putsch der Präsidialgarde. - sda - KEYSTONE/AP/Fatahoulaye Hassane Midou

Zugleich dürfte der Kampf gegen die islamistischen Terrorgruppen in der Region aber schwieriger werden, sagte Laessing. «Die Deutschen und anderen EU-Länder haben nur bei Ausrüstung und Ausbildung geholfen. Bei aller Kritik an Frankreich muss man sagen, dass nur Paris bereit war, aktiv zu kämpfen.» Die EU hatte Anfang des Jahres eine neue militärische Partnerschaftsmission im Niger begonnen.

Die Bundeswehr war zuvor an der Ausbildung nigrischer Spezialkräfte beteiligt. Zudem betreibt sie einen Lufttransportstützpunkt in Niamey, der das Drehkreuz für den Abzug der mehr als 850 Soldaten nach dem Ende der UN-Friedensmission im benachbarten Mali ist.

Spekuliert wird nun darüber, ob einige der französischen Soldatinnen und Soldaten aus dem Niger in den benachbarten Tschad verlegt werden könnten. Vom französischen Generalstab hiess es dazu, man könne derzeit noch keine Details zum Abzug geben. Bislang sind im Tschad rund 1000 französische Soldaten stationiert.

Bevölkerung ist nicht gut auf Frankreich zu sprechen

Zwar wird der Tschad ebenfalls von einer Militärregierung geführt, die Wahlen verschieben und Proteste blutig niederschlagen liess. Ein grosser Teil der Bevölkerung ist ebenfalls nicht gut auf Frankreich zu sprechen. Übergangspräsident General Mahamat Idriss Déby Itno ist aber – wie zuvor sein Vater – ein wichtiger Partner Frankreichs.

In Westafrika wird Frankreich weiter mit Truppen im Senegal und der Elfenbeinküste präsent sein. Ausserdem sind im zentralafrikanischen Gabun – wo im August ein Militärcoup die seit Jahrzehnten regierende Herrscherfamilie stürzte – sowie im ostafrikanischen Dschibuti französische Soldatinnen und Soldaten. Insgesamt sind in den vier Ländern gut 3000 Kräfte, die gegebenenfalls Einsätze unterstützen können. Paris beteiligt sich zudem an internationalen Missionen.

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